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NEBENSACHEN AUS NEU-DELHI VON GEORG BLUMEUmzug mit Hindernissen oder In Indien ist alles so langsam

Wer von Peking nach Neu-Delhi geht, muss erst mal einen Gang runterschalten, lernt aber die Leute kennen

Kurt Tucholsky verglich einmal sehr oberflächlich Europa und Japan. „In Europa ist alles so groß, so groß – und in Japan ist alles so klein!“ Als ich vor ziemlich genau 20 Jahren nach Japan zog, um das erste taz-Büro in Asien aufzumachen, fand ich es ziemlich enttäuschend, dass ein Großer wie Tucholsky, der sonst kein Wort über Japan schrieb, nur einen so dummen Spruch für mein Gastland übrig hatte.

Doch derzeit neige ich zu einer ähnlichen Vereinfachung. Gerade sind meine Frau und ich mit drei Kindern und Katze von China nach Indien umgezogen, um in Delhi ein weiteres taz-Büro in Asien zu eröffnen. Seit vier Wochen versuchen wir nun schon, Haushalt und Büro in Gang zu bringen. Dabei möchte ich am liebsten jeden Tag frei nach Tucholsky stöhnen: „In China ist alles so schnell, so schnell – und in Indien ist alles so langsam.“ Ich weiß, das kann nicht stimmen. Mit seinen Callcenter- und anderen Software-Erfindungen ist Indien ein Superbeschleuniger der Globalisierungsgeschichte. Doch irgendwie scheint sich hier jeder dem neuen Tempo zu widersetzen, während in China jeder Einzelne sogar noch ein bisschen mehr Gas gibt.

Drei Tage brauchten die chinesischen Packer von der deutschen Firma Schenker, um in Peking unser Hab und Gut zu verladen – drei Wochen benötigten ihre indischen Kollegen, um alles wieder auszupacken. Dabei machten alle einen guten Job. Die Chinesen bauten Rutschbahnen für die Kartons, damit es im Treppenhaus schneller ging und arbeiteten bis vier Uhr morgens durch, um am nächsten Morgen den Zolltermin einzuhalten. Ich sehe immer noch einen alten Arbeiter vor mir knien, wie er zu später Nachtstunde, nach einem Mc’Donald-Hamburger als Abendmahl, die alten Aquarellbilder meiner Mutter ruckzuck verpackte, aber ohne einen Blick auf die Bilder zu werfen.

Ganz anders die indischen Schenker-Leute. Sie behandelten unsere abgenutzten Ikea-Möbel wie wertvolles Teakholz, fassten jedes Bild nicht nur mit Samthandschuhen an, sie bewunderten es und fragten nach den Personen. So lobte ich die chinesischen Arbeiter nachträglich für ihre Effektivität, auch weil mir der Geduldsfaden riss, als vier indische Arbeiter ganze acht Stunden brauchten, um einen Ikea-Schreibtisch zu montieren.

Aber am Ende kannte ich die Inder besser. Wir hatten jeden Tag Zeit, zusammen süßen Tee zu trinken und Familiengeschichten auszutauschen. Das war unser Happy End. Und doch ist es dieser ungewohnte menschliche Faktor im indischen Kapitalismus, der uns hier am Anfang Mühe macht.

Früher war das in China auch so. Jedes kleine Geschäft musste lange verhandelt werden. Und wehe man nahm sich nicht die Zeit: Sofort war man der Betrogene. Das ist in Indien heute genauso. Der alte Klempner im weißen Unterhemd, der Tischler mit der Säge im Geschirrtuch oder der Maler auf seiner schnellen Vespa – je länger man mit ihnen redet, desto billiger wird nicht nur ihre Arbeit, sondern um so freundlicher werden sie auch. Aber wir wollen ja nicht gleich jedem unsere Familiengeschichte erzählen.

In China fragte sowieso keiner. Da reichte aus, dass wir drei Kinder hatten im Ein-Kind-Familien-Land, um von Fremden Freundlichkeiten zu empfangen. In der modernen Kleinfamilie geht alles so schnell und im großfamiliären Indien alles so langsam.

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