: Photovoltaik serienmäßig
In einem Vorort Sacramentos buhlen zwei Fertighaushersteller um Kunden. Die jeweils rund 100 Häuser bilden eine Siedlung. Doch die Häuser von Premier Homes haben eine Solarstromanlage
VON ANNE KREUTZMANN
„Könnten Sie mir bitte sagen, ob die Photovoltaikanlage extra kostet oder im Preis inbegriffen ist?“ Melisa Chalamidas schaut für eine Immobilienmaklerin äußerst pikiert. Mein Begleiter, Mike Keesee vom Stromversorger Sacramento Municipal Utility District (SMUD), stößt mich an: „Wir sind im falschen Verkaufsbüro.“
Nein, eigentlich nicht im falschen. Cresleigh Homes Corporation, für die Melisa Chalamidas typisch amerikanische Vorortfertighäuser verkauft, beackert das gleiche Gelände wie die Konkurrenz Premier Homes. Beide Fertighausanbieter haben sich ein Gelände im kalifornischen Sacramento geteilt, wo sie seit einigen Monaten Häuser bauen und verkaufen, Premiers 95, Cresleigh 94. Trotz Abweichungen im Detail ähneln sich diese sehr: große Doppelgaragen, handtuchgroßes Rasenstück vor dem Haus, innen viel Holz und helle warme Farben. Bis auf die Solaranlage natürlich, die es nur bei Premier Homes gibt – hier aber nicht als Extra, sondern auf jedem Haus. Dass wir zuerst Cresleigh einen Besuch abstatten hat seinen Grund: Melisa Chalamidas gibt bereitwillig Auskunft über die Ausstattung der Häuser, Preise und Nachfrage. Die Preise in der „Rosenholz“ getauften Siedlung lagen bei unserem Besuch beispielsweise zwischen 381.950 und 449.950 Dollar.
Wenige Meter weiter liegt das Verkaufsbüro von Premier Homes. Don Rives ist erfreut, Journalisten kann er gut leiden: „Wir hatten schon zahlreiche Zeitungsartikel. Und kürzlich war sogar National Geographic hier“, erzählt der Verkaufsleiter stolz. „Das spart die Kosten für Anzeigen.“ Grund für das öffentliche Interesse: Premier Homes verkauft in der Siedlung Premier Gardens „Zero Energy Homes“ – im energieverschwenderischen Amerika eine echte Innovation. Wobei damit keineswegs der Standard der in Deutschland bekannten Nullenergiehäuser gemeint ist. Ein Zero-Energy-Haus erzeugt dank Solarstromanlage, guter Dämmung und Energie sparenden Haushaltsgeräten rund 60 Prozent des benötigten Energiebedarfs. Die übrigens 40 Prozent müssen ganz normal zugekauft werden.
Keesee hat damit keine Probleme. Im Vergleich zur klassischen amerikanischen Energieschleuder seien die Solarhäuser hier ein so großer Fortschritt, dass man da nicht über die letzten Prozente diskutieren solle. Zumal das gleichnamige Förderprogramm des amerikanischen Energieministeriums, über das die Erstellung des Energiekonzepts für die Premier-Häuser bezuschusst wurde, auch keine höheren Ansprüche stellt.
Die Photovoltaikanlage, ein 2-Kilowatt-System von General Electric Energy, kostet 15.000 Dollar, wovon SMUD 6.300 Dollar zuschießt. Macht immer noch 8.700 Dollar je Anlage, wobei die Kosten nicht gesondert ausgewiesen, sondern im Gesamtpreis des Hauses inbegriffen sind. Ein Haus kostet in der Basisausstattung zwischen 338.490 und 435.990 Dollar und liegt damit in der gleichen Größenordnung wie die Konkurrenz von der anderen Straßenseite.
Hierin liegt auch der Grund, warum die Solarstromanlage nicht größer ist. Auf dem Dach wäre schließlich noch Platz gewesen, und mit einer größeren Anlage würde man dem Anspruch „Zero Energy“ auch eher gerecht. „8.700 Dollar kann man im Gesamtpreis gut verstecken“, erklärt Keesee, der bereits seit vier Jahren versucht, die Baubranche im Versorgungsgebiet seines Arbeitgebers vom Nutzen der Photovoltaik zu überzeugen. Zwei bis drei Prozent des Kaufpreises: „Das fällt niemandem auf.“ Und wenn doch: Das Argument, die Stromrechnung zu drücken, fasziniert viele Kalifornier, die auf Grund leistungsstarker Klimaanlagen oft 100 Dollar und mehr im Monat für ihren Strom zahlen.
Während des „Solar Advantage Home Program“, das SMUD zwischen 2001 und 2003 durchführte, konnte Keesee bereits acht regionale Fertighausanbieter überzeugen, Solarhäuser in ihr Portfolie zu nehmen. Oder wie es Keesees Boss gern ausdrückt: „Jedes neu gebaute Haus ohne Photovoltaikdach ist eine verlorene Chance für 30 Jahre oder länger.“ In der Sacramento-Region wurden in den drei Jahren 18.000 Häuser gebaut. Da sind die von den acht Fertighausanbietern bisher verkauften Solarhäuser und auch die neue Premier-Gardens-Siedlung nur ein ganz kleiner Tropfen auf dem heißen Stein.
Der Grund für SMUDs langjähriges Interesse in Photovoltaik – der Energieversorger hat USA-weit mit die meisten Solaranlagen in seinem Versorgungsgebiet – ist letztlich ein rein finanzieller. Durch die Solardächer lässt sich die Spitzenleistung zur Mittagszeit reduzieren, und die muss SMUD von seinen Vorlieferanten teuer einkaufen. Da die Solarstromanlagen mittags mehr produzieren als die Bewohner verbrauchen, laufen die Zähler der Einfachheit halber rückwärts und SMUD erhält auf diese Weise preiswert zusätzlichen Spitzenlaststrom. Das zumindest ist die Erfahrung, die SMUD mit den bisher rund 1.000 Solarstromanlagen in seinem Versorgungsgebiet gemacht hat. Wie groß der finanzielle Vorteil tatsächlich ist, will SMUD jetzt im Vergleich der beiden Neubausiedlungen in Sacramento herausfinden.
Die Erwartungen sind hoch: „2003 wurden in unserem Versorgungsgebiet 9.623 neue Häuser gebaut“, rechnet Keesee vor. „Wenn jedes eine 2-Kilowatt-Photovoltaikanlage hätte, hätten wir eine zusätzliche Kraftwerksleitung von 19 Megawatt in unserem Gebiet.“ Der Clou: Diese Kraftwerksleistung könnte die benötigte Spitzenlast um neun Megawatt reduzieren. So betrachtet ist es verständlich, was den Mann von den Stadtwerken so an Solardächern fasziniert.
Auch bei Premier Homes ist man zufrieden. „Wir hätten während weniger Tage ausverkauft sein können“, so Don Rives, wenn die Häuser nur schneller fertig wären. Mit jährlich rund 100 Fertighäusern ist Premier Homes ein eher kleiner Marktteilnehmer. In vier bis fünf Jahren sollen es doppelt so viele sein. Das Haus mit serienmäßiger Photovoltaikanlage kostet nicht spürbar mehr als ein vergleichbares der Konkurrenz, die niedrigen Energiekosten werden aber von den Kunden als großer Pluspunkt wahrgenommen.
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