confettiparade: Zu Gast in Deutschland
Ein Jahr vor der echten WM wird offenbar, dass das Spektakel nicht unbedingt ein Organisationswunder wird
Es ist schon komisch. Je mehr Krimskrams bei den Spielen des Confederations Cup von irgendwelchen Sponsoren „präsentiert“ und vom Stadionsprecher fröhlich ausposaunt wird, desto mehr fällt einem auf, was alles nicht präsentiert wird. Warum gibt es einen Sponsor für das Kind, das die Münze zur Seitenwahl auf den Platz trägt („Coin Escort“), aber nicht für die Ball Escort, die vielen Buben, die den Spielern die Bälle zum Einwurf reichen („Diese Ballübergabe wird ihnen präsentiert von FedEx“)? Wieso ist die Fifa nicht auf die Idee gekommen, die Eckbälle zu verscherbeln, wie es jeder popelige Bundesligist inzwischen tut? Und was ist mit den Elfmetern? Ein Schiedsrichter wie der Italiener Roberto Rosetti wäre doch geradezu eine Goldgrube für jeden Werbetreibenden: „Die fünfte Wiederholung dieses Elfmeters wird ihnen präsentiert von – Duracell.“ Wieso sind die Nationalhymnen präsentatorenfrei („Einigkeit und Recht und Freiheit dank Maggiwürfel“), und warum darf ein berüchtigter Fleischklopsbrater nur 22 Kinder mit den Spielern auf den Platz schicken? Schließlich hat jeder Fußballer doch zwei Hände, oder? „Die linkshändigen Teilnehmer der Player Escort werden ihnen präsentiert von Fat Mac, die rechtshändigen von Chicken Nuggets XL.“ Oder links dicke Kinder von McDonald’s, rechts dünne vom Slow Food Verband. Und das Schiedsrichtertrio könnte man doch garantiert bei Taco Bell oder Betandwin unterbringen.
Aber noch ist ja Zeit bis zur WM und der Confederations Cup bloß die Generalprobe. Wie gut, dass es ihn gibt, was hätte nicht alles schief gehen können beim FC Deutschland im nächsten Jahr. Zum Beispiel wissen die Organisatoren jetzt, dass man, wenn man einen Haufen Akkreditierungen zu laminieren hat, auch für das entsprechende Material sorgen sollte, sodass nicht massenhaft Menschen mit provisorischen, also ungültigen Akkreditierungen mittels einer Fifa Escort (ungesponsert) ins Stadion geleitet werden und hinterher noch mal zur Laminierung antanzen müssen. Auch hat sich erwiesen, dass es nicht ratsam ist, noch länger an den Stadien herumzuhämmern und herumzubasteln als die Griechen an ihrem Athener Olympiadach. Bei Anpfiff sollte man möglichst fertig sein. Und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet in Deutschland jemals das Bier ausgeht? Und das schon beim ersten Spiel! In der Halbzeit! An Stromausfälle hat man sich ja ohnehin gewöhnt.
Wie gut, dass es die Fifa gibt, die überall zur Stelle ist und alles bestens im Griff hat, zumindest verbal. Kaum, dass sich irgendwo Unmut regt, melden sich in den nächsten Stunden sofort ungefähr 25 wichtige Mitarbeiter zu Wort und versichern, dass es keinen Unmut und nicht die geringsten Beschwerden gebe. Unfreundliche Sicherheitsleute, hundertfach von Zuschauern und Journalisten bezeugt? Kann gar nicht sein, alle extrem herzlich. Brasilianische Beschwerden über ihr Quartier in Bergisch Gladbach oder die Trainingsbedingungen in Hannover? Was für Beschwerden, wer hat sich hier beschwert? Bei uns jedenfalls nicht. Okay, sie waren auf dem falschen Trainingsplatz, wurden erst nicht reingelassen, und verfahren haben sie sich auch. Selber schuld, wenn sie sich in Hannover nicht auskennen und sich auf den Busfahrer und die Brazilian Team Escort (ungesponsert) verlassen. Genauso wie die Journalisten, die den Shuttlebus nicht finden, weil es nirgendwo Hinweisschilder gibt.
Wer es dann doch ins Stadion schafft, muss feststellen, dass der Pressekonferenzraum im WM-Stadion selbst für Japan – Mexiko schon zu klein ist, erst recht für Mexiko – Brasilien. Weshalb die einen Extrakärtchen für die Pressekonferenz bekommen, die anderen für die Mixed Zone. Das wirkt besonders putzig, wenn der Mann von der Fifa den mexikanischen Torhüter Oswaldo Sánchez, der, weil er gerade gegen Brasilien gewonnen hat und zum Man of the Match (präsentiert von einem amerikanischen Pseudobierhersteller) gewählt wurde, einen seiner größten Momente erlebt, ebenso wie die Trainer nach kurzer Zeit mit dem Hinweis abwürgt, mehr könne man in der Mixed Zone erfahren. Der Pressekonferenzraum war dann in beiden Fällen nicht zu klein, sondern halb leer, während draußen die Leute ohne Berechtigungskärtchen rigoros von (natürlich wie immer überschäumend freundlichen) Sicherheitsleuten abgeschmettert wurden.
„Die Deutschen sind starr, werden schnell ungeduldig und, so unglaublich das klingen mag, sie sind mit der Routine großer Wettbewerbe wenig vertraut“, schrieb ketzerisch die brasilianische Zeitung O Globo. Der Fifa-Konter ließ nicht auf sich warten. „Superzufrieden“ sei man, erklärte der Kommunikationsdirektor. Dabei war es ja noch gar nicht die richtige OrganisationsWM, sondern nur die Generalprobe. WM Escort sozusagen, präsentiert von Sepp Blatter and his Kaiserboys. MATTI LIESKE
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