Zürich-„Tatort“ in der ARD: Wie ein Werbespot für Luxuskarossen
Mit dem Fahrrad dem Überfluss auf der Spur: Das Duo Ott/Grandjean ermittelt mit Wut im Bauch gegen das Big Pharma Business.
Steril und kalt wird es – sowohl innen, also menschlich, als auch außen, also im winterbedeckten eisigen Zürich bei diesem vierten Fall des Ermittlerinnenduos Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher). Zwar sind die beiden Frauen sich noch immer nicht ganz grün, haben aber doch eine gewisse Zuneigung zueinander entwickelt – und die werden sie in diesem Setting auch brauchen.
Corinne Perrault (Sabine Timoteo), eine scharfzüngige, diabeteskranke Staranwältin im Dienste des aufstrebenden Pharmaunternehmens Argon, wird tot aus dem Zürichsee geborgen. Was auf den ersten Blick nach Suizid aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als filigrane Mordarbeit mithilfe von Insulin. Von ihrem Ableben profitieren viele Personen, unter anderem das kranke Mädchen Klara (Anouk Petri) und deren Löwenmutter Dorit Canetti (Annina Butterworth).
Klara ist Testperson für das Medikament Volmelia gewesen und leidet nun unter den Nebenwirkungen, die sie an einen Rollstuhl fesseln und ihre Lebenserwartung auf zwei Jahre verkürzen. Die Canettis versuchen jetzt, die Markteinführung der bedenklichen Arznei zu verhindern – was nicht im Sinne des Konzerns Argon und deren führender Forscherin Dr. Regula Arnold (Laura de Weck) ist. Sicherlich wären auch die Anleger nicht begeistert, denn aus Nächstenliebe passiert im Big Pharma Business doch eher wenig.
Überfluss führt zum Täter
Wie gut, dass die Anwaltskanzlei Clement & Widmer bei fast allen Belangen helfen kann! So wird der nicht minder fischigkalte Anwalt Matteo Riva (Benjamin Grüter) auf die finanziell gebeutelte Familie Canetti losgelassen, um sie mit 12 Millionen Schweizer Franken zum Schweigen zu bringen. Dies ist jedoch nicht im Sinne von Klara, alles Geld der Welt kann ihr die Gesundheit nicht zurückbringen. Ermittlungsansätze gibt es somit viele, der Wichtigste ist jedoch, mit den Worten von Tessa Ott: „Folge dem Geld oder dem Sperma, eins davon führt sicher zum Täter!“
Das Ganze wird wunderbar illustriert mit teuer angezogenen Personen aus Pharma und Juristerei, die bedeutungsvoll telefonierend in teuren Autos herumsitzen. Stellenweise wirkt der Film wie ein Werbespot für PS-triefende Luxuskarossen. Einen schönen Gegenpol zu all diesem Überfluss bildet Tessa Ott, die mit Wut im Bauch und ohne funktionierendes Licht auf ihrem Fahrrad durch Zürich kurvt. Auf vielen Ebenen gilt in diesem „Tatort“ die Prämisse: Unterschätze niemals den Willen einer Frau!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“