das wird
: „Hannovers Innenstadt alternativ beleben“

Lasse Schlegel und David Schwarzfeld verwandeln Werbeflächen zu Orten der Begegnung. Auch in Hannover reformieren sie so den Stadtraum

Foto: Jan Schölzel

David Schwarzfeld

26, studiert Visuelle Kommunikation.

Interview Harff-Peter Schönherr

taz: Herr Schlegel, Herr Schwarzfeld, in einem „Stadtgespräch“ zur Kulturentwicklung profiliert sich Hannover unter dem Titel „Wir machen Stadt“. Das ist kühn formuliert. Existiert Hannover nicht schon?

Lasse Schlegel:Eine poetische Frage! Ja, was macht Stadt aus? Die Innenstadt von Hannover ist sehr geschäftslastig. Der Titel steht dafür, diesen Stadtraum auch alternativ zu beleben. Anlass ist das leer stehende Karstadt-Gebäude, vor dem „Wir machen Stadt“ ja auch stattfindet. Ein Spekulationsobjekt, völlig ungenutzt. Wir setzen ein Zeichen: Hier sind Kulturschaffende, die Ideen haben, Orte wie diesen neu zu nutzen.

Sie selbst, Herr Schlegel, repräsentieren dabei auf dem Podium Ihr Projekt „Platzhalter“. Worauf zielt das ab?

Schlegel:Auf die Umnutzung von Werbeflächen. Wir schaffen dadurch niedrigschwellige Begegnungsorte. Orte, an die Menschen kommen können, um sich auszutauschen. Fern aller Konsumgelüste.

Sie verwandeln, zum Beispiel Litfaßsäulen zu Leinwänden, zu Orten für Grüße und Geschichten. Wie ist die Idee entstanden?

David Schwarzfeld:Als die Pandemie begann, sind wir viel in der Stadt spazieren gegangen, und da fällt natürlich die Fülle der Werbeflächen ins Auge. Wir haben sie als sehr negativ empfunden und uns gefragt, was wir aus Gestalter­sicht dagegen tun können. Klar war schnell: Wir wollen sie zu Orten verändern, an denen Menschen nicht nur passiv einer Botschaft begegnen, die ihnen sagt, was sie tun sollen: kaufen!

Sie sagen: „Werbung befeuert Überkonsum.“ Sind Sie Aktivisten der Konsumkritik?

Schwarzfeld:Auf jeden Fall haben wir dort unsere Wurzeln. Unser Anfangsgedanke war ziemlich radikal.

Welcher war das denn?

Schwarzfeld:Werbung aus der Innenstadt zu verbannen.

Ihr Mittel ist unradikal: Sie mieten Werbeflächen an.

Schlegel:Wir haben Ströer unsere Idee vorgestellt, dem Unternehmen, dass in Deutschland den Großteil der Werbeflächen besitzt. Dafür haben wir viel Kritik eingesteckt. Aber wir wollten ganz bewusst einen Dialog. Wir wollten eine Debatte anstoßen, zum Thema Werbung in der Stadt. Eine Guerilla-Aktion, etwa mit Überklebungen, wäre keine gute Grundlage gewesen.

Aber auch das Adbusting, das demaskierende Verfremden von Werbung, hat diese Debatte doch stark befeuert.

Schwarzfeld:Das stimmt. Aber wir wollten Ströer zeigen: Was wir machen, hat einen viel höheren Nutzen für die Menschen.

Wie war die Reaktion?

Schlegel:Erst sind wir da nicht durchgedrungen. Aber dann kam eine Mail, ob wir uns nicht mal treffen wollen. Mittlerweile bekommen wir deren Flächen umsonst.

Foto: Jan Schölzel

Lasse Schlegel

28, ist freiberuflicher Grafikdesigner.

Für ihr Projekt „Platzhalter“ bekamen Schlegel und Schwarzfeld 2021 den Preis „EcoDesign“ des Bundes­umwelt­ministeriums.

Warum macht so ein Unternehmen das? Weil eine Kooperation mit Konsumkritikern der Konsumkritik die Spitze nimmt?

Schwarzfeld:Das haben wir uns auch gefragt. Einer der ersten Sätze des Ströer-Geschäftsführers war: „Hier kommt der Feind!“ Aber er fand unsere Entwürfe interessant. Imagegründe hat das bestimmt auch. Wir haben lange überlegt, ob wir das machen. Das war schon eine Identitätskrise für uns.

Sie sagen, Ihre Arbeit schaffe Gemeinschaftssinn, Teilhabe. Woran machen Sie das fest?

Schlegel:Nehmen wir die Stadt Essen: Wir arbeiten dort auf der Grundlage der Ideen von Anwohnern. Fast 300 haben wir bekommen. Studien belegen, dass die Wertschätzung für Veränderungen steigt, sobald jemand sie mitgestaltet. Man solidarisiert sich damit, fühlt sich mitverantwortlich. Gerade haben wir an einer der Säulen einen Kräutergarten gebaut. Sie steht direkt neben einer Station der „Tafel“; die kümmert sich jetzt da drum. Eine schöne Kooperation.

Schwarzfeld:Manche Menschen erleben dadurch ihre Stadt auch ganz anders. Sie steuern diese Säulen gezielt an. Eine Werbesäule bekommt solche Aufmerksamkeit nicht.

Was ist Ihre Kernbotschaft bei „Wir machen Stadt“?

Schlegel:Empowerment. Viele sagen ja: Ich kann eh nichts ändern. Aber das stimmt nicht.

Stadtgespräch mit Parade und Party: „Wie können Kunst- und Kreativschaffende in Hannovers Innenstadt Einzug nehmen?“, Sa, 17. 9., 14.30 bis 22 Uhr, Hannover, Treffpunkt Andreaestraße/Ecke Schillerstraße (hinter dem Karstadt-Leerstand); http://zwischenraum-hannover.de/wirmachenstadt-2