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: „Verpflichtet, für etwas einzustehen“

Wenn Asylbehörden die Fluchtgründe nicht sehen wollen: Der Journalist Benjamin Bigger stellt seine Reportage über einen geflohenen christlichen Iraner vor

Foto: privat

Benjamin Bigger

28, ist freier Journalist. Er wurde in Hamburg geboren und hat als Kind einige Jahre in Israel gelebt.

Interview Benjamin Moldenhauer

taz: Herr Bigger, für Ihren Film „Jeder kann ein Momo sein“ haben Sie einen Geflüchteten aus dem Iran begleitet. Was hat Sie an seiner Geschichte besonders interessiert?

Benjamin Bigger:Momo ist im Iran zum Christentum konvertiert und wurde danach attackiert. Der Angriff steht im Zusammenhang mit seiner Konversion. Momo musste reanimiert werden und ist geflohen. Seit acht Jahren lebt er in Deutschland – von Abschiebung bedroht. Der Veranstaltungstitel, MIT2WO, spielt auf das hebräische Wort „Mizwa“ an. Das bezeichnet einen sehr wichtigen Aspekt jüdischen Lebens: eine gute Tat zu tun, oder, genauer, die Verpflichtung, für etwas einzustehen. Das hab’ich aus meiner Perspektive mit dieser Reportage getan.

Mit welcher Begründung wurde Momos Antrag auf Asyl abgelehnt?

Die Schutzbedürftigkeit soll nicht gegeben sein. Es wird behauptet, dass der Angriff willkürlich gewesen sein könnte und nicht im Zusammenhang mit seiner Konversion stünde. Außerdem wird Momos Glaube infrage gestellt. In der Begründung heißt es: „Auch sein weiteres Vorbringen, dass er die Bibel von Anfang bis Ende durchgelesen habe, macht deutlich, dass er sich nicht mit der Bibel befasst hat. Sonst wüsste er, dass die Bibel kein normales Buch ist, dass man von Anfang bis Ende durchliest.“ Das Gericht geht davon aus, dass Momo in den Iran zurückgehen kann, wenn er sein Christentum nicht offen lebt: Einfach den Ball flach halten, dann passiert da schon nichts.

Wie erzählen Sie seine Geschichte?

Ich hatte zuerst überlegt, Momos Narben zu zeigen. Diese plakative Ebene wollte ich dann doch nicht im Film haben. Entweder die Zu­schaue­r:in­nen glauben ihm oder eben nicht. Jedenfalls sind das Narben, die eindeutig mit einem Messerangriff in Zusammenhang stehen.

Momo ist gut vernetzt, macht etwa mit Freunden unter dem Namen „Rapfugees“ HipHop in Hamburg, eine Soli-Kampagne läuft. Wie ist der Stand seines Asylverfahrens?

MIT2WO After Work Club mit Benjamin Bigger, seinem Protagonisten Momo und der Sängerin Stella Morgenstern: heute, 18 Uhr, Hamburg, Israelitische Töchterschule, Karolinen­straße 35

Der Eintritt ist frei, um Zedaka – Spende – wird gebeten

Das einzige, was sich verändert hat, ist, dass Momo seine Ausbildung abgeschlossen hat und jetzt sein Fachabi mit einer schulischen Ausbildung zum Erzieher macht. Das darf er ohne Aufenthaltstitel nur so halb, momentan hat er nur eine Aussetzung seiner Abschiebung. Ich bin vor Kurzem mit ihm zur Ausländerbehörde nach Winsen an der Luhe mitgefahren. Man merkt die angespannte Stimmung aller, die da sitzen. Wir kamen rein, kein Hallo, kein gar nichts. Momo musste zum dritten Mal Fingerabdrücke von sich nehmen lassen. Wenn er Glück hat, wird seine Aufenthaltsgenehmigung noch einmal um drei Monate verlängert.

Der „After Work Club“ möchte Begegnungen zwischen jüdischen und nicht jüdischen Menschen ermöglichen. Überschneiden sich Ihre Erfahrungen mit denen Momos?

Als deutscher Halb-Israeli hat mich seit meiner Kindheit der Nahostkonflikt beschäftigt. Der Iran ist da ein wichtiger Schlüsselpunkt. Meine und Momos Erfahrungen sind natürlich sehr unterschiedlich. Aber es ist spannend, mit ihm über sein Leben in der Region zu sprechen – ich merke, wie wenig unterschiedlich wir dann doch sind. Das gilt auch für Freund­:in­nen zum Beispiel aus Syrien: Es fällt immer wieder auf, wie sehr die Kulturen einander ähneln. Und wenn wir ein paar Tausend Jahre zurückblicken, sind wir sowieso alle Geschwister. Mit „Jeder kann ein Momo sein“ will ich auch zeigen, dass jeder, der in so einer Situation steckt, das Recht hat, dass offen und fair mit ihm umgegangen wird.