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Rechnen wie der FC BarcelonaVoll ins Risiko

Beim hoch verschuldeten Fußballverein FC Barcelona ist die Euphorie groß. Die runderneuerte, teure Elf soll für prächtige Kapitaleinnahmen sorgen.

Doppeltorschütze Robert Lewandowski lässt sich beim Spiel gegen Valladolid vom Publikum feiern Foto: Joan Monfort/ap

Auch am Sonntag war er wieder da, der Barça-Anhänger mit der 10 auf dem Trikot – über der bei ihm allerdings nicht der Name des langjährigen Klubgiganten Lionel Messi steht, oder jener seines numerischen Nachfolgers Ansu Fati. Sondern der von Mateu Alemany. Dem Publikum außerhalb Spaniens dürfte dieser 59-jährige Sportdirektor kaum bekannt sein, beim FC Barcelona gilt er jedoch als Mann, der diesen Sommer wahre Wunder vollbracht hat. Und so schmückt der Fußballfunktionär jetzt also sogar Fanhemden.

Rundum erneuert hat Alemany den Kader: große Zukunftshoffnungen wie Fati, Verteidiger Ronald Araújo und die Mittelfeldspieler Pedri und Gavi gehalten, sogar den schon verloren geglaubten Ousmane Dembélé – und nebenher fünf echte Verstärkungen akquiriert, allen voran nach zähem Feilschen mit dem FC Bayern den zweimaligen „The Best“ Robert ­Lewandowski. Ein vorige Saison titelloser und mit dem ersten Champions-League-Gruppenaus seit über 20 Jahren gepeinigter Klub fühlt sich wieder bereit für sportliche Bravour.

Das 4:0 gegen Aufsteiger Real Valladolid am Sonntag lieferte schon einen Fingerzeig. Mit elektrischem Angriffsspiel um die mobilen Dembélé und Raphinha (neu von Leeds United) riss Barça das Publikum zu Ovationen hin. Ein Flirren umgab besonders die Tore von Lewandowski zum 1:0 und 3:0. Das erste erinnerte mit einer Flugeinlage am langen Pfosten an einen berühmten Treffer von Johan Cruyff, das zweite war ein atemberaubendes Kunstwerk mit dem Absatz. Von der „Hacke Gottes“ schreibt „Sport“, die Fans feierten den Polen in Sprechchören, und Trainer Xavi kann sein Glück kaum fassen: Von Spielverständnis („sein Timing und seine Bewegungen“) bis Charakter („wahnsinnig bescheiden, unermüdlicher Arbeiter, ein geborener Leader“) sei Lewandowski schlichtweg „ein Segen“.[Link auf Beitrag 4858365 (MS-ID 5767477)]

Erstmals standen dem Coach alle Zugänge zur Verfügung – nachdem am Vortag auch Verteidiger Jules Koundé die Spielerlaubnis erhalten hatte. „Vorsicht vor den Optionen, die diese Mannschaft hat“, warnt Valladolids Trainer Pacheta künftige Gegner. Zu ihnen zählt in der Champions League neben Inter Mailand auch der pikierte FC Bayern. „Irgendwie komisch, irgendwie verrückt“, nannte Trainer Julian Nagelsmann das katalanische Transfergebaren trotz 1,3 Milliarden Euro Schulden.

Verkauf zukünftiger Einnahmen

Allein Verhandlungsgeschick reichte für die Kaderrenovierung ja nicht aus. Vielmehr holte sich Präsident Joan Laporta bei den Mitgliedern die Erlaubnis, ein Viertel der TV-Einnahmen aus dem Ligabetrieb der nächsten 25 Jahre sowie 49 Prozent der Anteile an der Produktionsfirma Barça Studios an externe Investoren zu verkaufen. Rund 750 Millionen Euro brachte das ein, und daran ist an sich nichts Illegales – weshalb sie in Barcelona den Aufruhr der anderen eher als Zeichen deuteten, dass „sie die Kraft Barças unterschätzt haben“, wie Laporta sagt.

Der voriges Jahr zurückgekehrte Chef – der mit einer ähnlichen Strategie den Klub während seiner ersten Amtszeit zwischen 2003 und 2010 in seine goldenste Ära führte – versucht zu entdramatisieren: „Ich nehme kalkulierte Risiken.“ Als solche sieht er offenbar auch die persönlichen Bürgschaften, die er und Schatzmeister Ferran Olivé bei der spanischen Liga hinterlegten. Dergestalt wurden die Financial-Fairplay-Regularien so weit erfüllt, dass Koundé spielen durfte.

Alemanys Job ist noch nicht beendet. Bis zum Transferschluss am Mittwoch „muss es unbedingt noch den einen oder anderen Abgang geben“, erklärte er. Die renommierten Stürmer Memphis Depay und Pierre-Emerick Aubameyang gelten als primäre Kandidaten. Beide Angreifer spielten gegen Valladolid keine Minute. Aubameyang und seine Frau wurden in der Nacht dann Opfer eines brutalen Raubüberfalls in ihrer Villa im Strandvorort Castelldefels.

Laportas Rechnung, über die Neulinge auch neues Wachstum herbeizuführen und letztlich die Konten zu sanieren, geht hinsichtlich ihres ersten Teils bisher auf. Zu vier Spielen gegen zwei Abstiegskandidaten und zwei Testgegner kamen im Schnitt knapp 85.000 Zuschauer; darunter viele in frisch gekauften Trikots, auf denen zwar manchmal Alemany steht, vor allem aber: Lewandowski.

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