Herber Dämpfer in der Nachspielzeit

Der Traum von Frankfurts Fußballerinnen vom Aufschwung und der Champions League ist bereits vorbei

Das Aus fühlt sich für den gesamten deutschen Frauenfußball wie ein Schlag in die Magengrube an

Von Frank Hellmann

Siegfried Dietrich hatte zuletzt wieder mächtig getrommelt. In seiner Eigenschaft als Sportdirektor der Fußballerinnen von Eintracht Frankfurt und Vorsitzender des Ausschusses Frauen-Bundesligen will der 65-Jährige in dieser Saison nicht weniger als „ein neues Wahrnehmungszeitalter“ einläuten. Dietrich hat nach der EM in England ausschweifend erklärt, warum es endlich gelingen kann, einen „bleibenden Wert für die Entwicklung des Fußballs der Frauen in Deutschland“ zu schaffen. Seinem Verein war dabei eigentlich eine Schlüsselrolle zugedacht. Nun sind beim Qualifikationsturnier zur Champions League die schönen Pläne durch eine bittere Finalniederlage gegen Ajax Amsterdam (1:2) durchkreuzt worden. Für den Bundesliga-Dritten war das Kapitel Königsklasse bereits am Sonntag im dänischen Hjørring beendet, bevor die Geschichte überhaupt richtig anfing.

Über die erste Hürde beim Gastgeber Fortuna Hjørring (2:0) war die Eintracht noch locker hinweg, an der zweiten blieb sie aber hängen. Das Aus fühlt sich für den gesamten deutschen Frauenfußball wie ein Schlag in die Magengrube an. „Viel unglücklicher kann man kaum verlieren“, bekundete Dietrich und ärgerte sich über eine „Riesenchance mit Doppelpfosten“ kurz vor Schluss. Stattdessen jubelte der niederländische Vizemeister nach einem Fallrückzieher von Eshly Bakker in der Nachspielzeit.

Bei Eintracht Frankfurt sollten diese Saison erstmals Frauen wie Männer in der Königsklasse antreten. Vorstandssprecher Axel Hellmann wollte bundesweit vormachen, wie die Marke Eintracht und der Standort Frankfurt sich für internationale Festspiele geschlechterübergreifend begeistern lassen. Was jetzt noch bleibt, ist das Eröffnungsspiel der Adlerträgerinnen gegen den FC Bayern am 16. September (19.15 Uhr), um vor einer Rekordkulisse zum Bundesliga-Auftakt den EM-Rückenwind aufzunehmen. Dem Vernehmen nach läuft der Vorverkauf allerdings noch recht schleppend.

„Jetzt gilt es, diese schmerzhafte Erfahrung schnell zu verarbeiten und unsere Ambitionen wieder in der Liga und im Pokal zu untermauern“, bekundete Dietrich. Leichter gesagt als getan. In wenigen Minuten verspielte die Eintracht im Norden Dänemarks die Arbeit einer ganzen Saison. „Ich glaube, wir waren in allen Belangen besser“, erklärte Trainer Niko Arnautis fast schon trotzig. „Es ist extrem bitter, wir haben in der zweiten Halbzeit extrem dominiert. Aber wir müssen uns vorwerfen, die Chancen nicht genutzt zu haben“, ergänzte die österreichische Nationalspielerin Laura Feiersinger.

Worüber allerdings offen niemand sprach, war die Torhüterinnenproblematik: Ersatzkeeperin Cara Bösl machte nicht nur beim 1:2, sondern auch beim 0:1 von Chasity Grant (8.) – Lara Prasnikar (57.) glich zwischenzeitlich aus – eine unglückliche Figur, als sie einen Abschlag vermasselte. Solche Gegentore hatte die zum VfL Wolfsburg zurückgekehrte Nationaltorhüterin Merle Frohms in ihrer Frankfurter Zeit eben nicht kassiert. Ihre Lücke soll eigentlich die von der SGS Essen verpflichtete Stina Johannes schließen, doch musste die 22-Jährige für die wichtigsten Spiele der Eintracht-Frauen seit der Fusion 2020 wegen Rückenproblemen passen.

Das frühe Aus der Frankfurterinnen schmeckt auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg nicht, die noch vor Saisonstart ihre Nationalspielerinnen für die letzten WM-Qualifikationsspiele in der Türkei (3. September) und in Bulgarien (6. September) versammelt. Mit Laura Freigang, Sara Doorsoun, Nicole Anyomi, Sophia Kleinherne und der kurz vor der EM ausgebooteten Sjoeke Nüsken spielen bei der Eintracht immerhin fünf potenzielle Kandidatinnen für die WM 2023 in Australien und Neuseeland. Auf Klubebene wird das Quintett keine internationale Erfahrung mehr einsammeln.