Die Wahrheit: Auf Mauses Pfaden ab ins Ego-Tal
Kann sich Robert Habeck im Sommer 2022 überhaupt Urlaub leisten? Der Wahrheit-Faktencheck zum Kanzler der Herzen.
Den ganzen Sommer über war Robert Habeck Stallwache im Kanzleramt und leitete als Vizekanzler die Kabinettssitzungen während der Urlaubszeit. Nach der Rückkehr von Olaf Scholz in die Willy-Brandt-Straße 1 dürfte der grüne Kanzler der Herzen jetzt eigentlich endlich Ferien machen. Aber kann Habeck überhaupt in den Urlaub fahren?
„Wie viel macht 17 mal 4 geteilt durch 2 mal 328?“ Robert Habeck überlegt. „Zu viel.“ Den grünen Bundessuperminister für Wirtschaft und „Energiegedöns“, wie der Vielselbstflieger Friedrich Merz von der CDU nicht müde wird zu betonen, ermüden zusehends die eigenen Sparappelle an Deutschland, wie die Wahrheit bei einem spontanen Exklusivbesuch in seinem Ministerium beobachten kann.
Habecks Privatsekretärin – es ist die Maus aus der „Sendung mit der Maus“, die seit Habecks Zeit „als schleswig-holsteinischer Landwirtschaftsminister“ (Zitat Habeck), auch seine Coachin und Couch-Frau ist –, die Maus stellt nach der von ihr gestellten Rechenaufgabe die Schnurbarthaare senkrecht. „Robert, du brauchst Urlaub!“.
Der einstige Kinderbuchautor seufzt und nimmt noch ein Nimm 2 aus seiner Federmappe. „Ach Maus, die deutsche Spitzenpolitik, also ich, der Kanzler und Annalena, wir können uns dieses Jahr Urlaub eigentlich gar nicht leisten. Aus moralischen und finanziellen Überlegungen darf bei uns nicht sein, was eigentlich sein muss, ja, was wir uns redlich verdient haben.“
Die Maus bewundert, wenn auch nur kurz, Habecks philosophische Anwandlungen. Dann kontert sie geschickt: „Aber, Robert, der Lindner, der hat doch nach seiner Hochzeit von Sylt nach Norderney rübergemacht?“ Habeck seufzt schon wieder. „Ja, der Chrissy, der schenkt der Bevölkerung nichts, nullo. Der macht Urlaub!“ Die Maus legt ihre Schnurbarthaare in Falten. „Und, wo ist da das Problem, Robert?“
Zwischenmahlzeit Nimm2
Habeck nimmt noch ein, ob der Hitze in seinem holzvertäfelten, meterhohen Riesenbüro mittlerweile geschmolzenes, Nimm 2. „Der Chrissy hat seinen Urlaub einfach als ‚Autotest‘ deklariert, der tut so, als arbeite er für Deutschland, und fährt doch die ganze Zeit nur den neuen Porsche auf Norderney!“ Die 80 Seemeilen von der Reicheninsel auf die Ostfrieseninsel hat Lindner Habeck zufolge „in einem gepanzerten Amphibienfahrzeug unter Einschluss der Bundeswehr zurückgelegt“, wie der Superminister ein bisschen neidisch, aber doch auch rechtschaffen angeekelt der Maus berichtet.
„Robert, Kopf und Bartstoppeln hoch, wir finden schon noch einen passenden, ethisch und finanziell angemessenen Urlaub für dich!“ Die Maus schraubt ihr Stimmchen bewusst aus ihrem Mausebauch Richtung der Ministeriumsdecke nahe dem Berliner Hauptbahnhof. „Von Annalena weiß ich, dass sie in Frankreich derzeit für ein paar Tage kleine Brötchen backt – mit ihren Kindern, vegan und sorgenfrei.“
Habeck stutzt, sortiert in Gedanken versunken seine Bartstoppeln. „Und was macht ihr Mann, war der nicht was bei der Telekom?“ Die Maus nickt mit ihren beiden rehbraunen Ohren. „Der Daniel hat mal 72 Stunden kinderfrei, der ist Spielen gegangen.“
Habeck sinniert. „Ich bin kein Zocker, Maus, ich weiß gar nicht, wie das geht. Im Stall, in Schleswig-Holstein, damals, als Landwirtschaftsminister, da hab ich mich immer sehr wohlgefühlt“. Die Stimme des 52-Jährigen bricht, die Maus weiß schon, dass der Robert jetzt gleich ganz kurz weint. Mit ihren Schnurrbarthaaren schlägt sie süße Klänge an. „Schau mal, Robert. Es ist doch so: Der Scholz, der traut sich doch auch, Urlaub zu machen …“
Habeck stoppt den Tränenfluss, den er gerade noch geschickt für sein neues Instagram-Video aufgezeichnet hat. „Pah, Scholz, der weiß doch gar nicht, wie das geht! Schröder, der wusste noch, wie man an Ferragosto mit der Magnumflasche über dem Trattoria-Tisch in der Toskana hängt!“ Jetzt wird die Maus streng. „Robert, werd nicht unappetitlich! Du weißt ganz genau, dass der Gerd mittlerweile tabu ist!“
Schweigeseminar im Schwarzwald
Der Superminister sackt in sich zusammen. „Ja, und: Wo weilt denn der Scholz gerade im Urlaub?“, fragt er trotzig die Maus. „Der Kanzler macht ein ‚Kurzzeit- Bettelmönch-Schweigeseminar im Schwarzwald‘“. – „Im Schwarzwald? Als Bettelmönch?“ Jetzt muss der von der Humorzeitschrift Titanic unter anderem als so ungefähr „bestbumsender Lendenschurz der Regierung“ Betitelte doch ausnahmsweise lachen. „Ich dachte immer, Bettelmönche gingen rum und bettelten. Dafür müssen Sie doch Klartext reden beziehungsweise was sagen.“
Jetzt quiekst Habecks Maus. „Du bist drollig, Robert. Erstens ist es halt ein Schweigeseminar, und zweitens dürfen Bettelmönche schon seit dem Spätmittelalter auch was besitzen. So wie Scholz etwa in Hamburg.“ Habeck kratzt sich am Knie. Dass der Besuch eines Schweigeseminars Scholz nach seinem „Urlaub“ endlich mal zum Reden bringe, zweifelt er lautstark und so breit wie lang vor der Maus an. Aber welchen Urlaub könnte der laut Apotheken Umschau „Adonis der Energiewende“, welche Ferien könnte Habeck jetzt gleich im August noch antreten? Vielleicht so was wie „Spirituelles Walereiten an der Weser“? Oder einfach ein verlängertes Wochenende unter dem Gratis-Motto „Nichts tun“?
Nichts von alledem! Die Maus hat’s! Als erfahrene Spitzenpolitiker-Coachin baut sie sich auf ihrer Couch auf und zirbelt ihre Schnurrbarthaare zurecht: „Robert, du machst mal Ferien vom Ich!“ Der ehemalige schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister schaut seine Privatsekretärin verständnislos an. „Und da komm ich auf meine Kosten?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was