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Kriminalisierung von MuslimInnenUnter Verdacht

Farid Hafez
Gastkommentar von Farid Hafez

Die Kriminalisierung der muslimischen Zivilgesellschaft schreitet voran. Zu oft wird der Grundsatz der Unschuldsvermutung ins Gegenteil verkehrt.

Dänemark, Frankreich und Österreich sehen sich im Kampf gegen den „politischen Islam“ Foto: plainpicture

E s liegt an den politischen Verantwortungsträgern eines Landes, wie auf militante Angriffe reagiert wird. Als Anders Behring Breivik im Juli 2011 77 Menschen das Leben nahm, entschloss sich die norwegische Regierung, Zusammenhalt und Solidarität zu zeigen. Militante Angriffe von Muslimen werden oftmals für Gegenteiliges benutzt: Für die Ausweitung von Bestimmungen und eine exorbitante Finanzierung der Sicherheitsapparate.

So auch der grausame Mord an dem Lehrer Samuel Paty und der Terroranschlag in Wien mit vier Toten – beides ereignete sich im Herbst 2020. Österreich, Frankreich und Deutschland verfassten den Erstentwurf einer Stellungnahme, die den Islam in den Mittelpunkt der Problematik stellte. Was allerdings auf Protest zahlreicher europäischer Minister stieß, denen diese Kulturkampfrhetorik erheblich widerstrebte.

Besonders Dänemark, Frankreich und Österreich kristallisieren sich als Länder heraus, die einen Kampf gegen den „politischen Islam“‚ beziehungsweise den „islamistischen Separatismus“ in Frankreich in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. Diese Länder haben in den letzten Jahren eine fortschreitende Institutionalisierung dieses Kampfes vorgenommen.

In Dänemark wurden sogenannte Ghetto-Gesetze eingeführt, welche zwischen „ethnischen dänischen“ BürgerInnen und „nichtwestlichen“ BürgerInnen unterscheiden und das Leben in 25 einkommensschwache und überwiegend von MuslimInnen bewohnte Gebiete unterteilen. Sieben muslimische Privatschulen wurden daraufhin geschlossen, weil sie angeblich die dänischen Werte Freiheit, Demokratie und Gleichstellung der Geschlechter nicht ausreichend fördern.

Kritik von den Vereinten Nationen oder aber kritischen Akademikern wurde ignoriert. Im Gegenteil: Am 1. Juni 2021 verabschiedete das dänische Parlament eine Erklärung gegen „Forschung, die als Wissenschaft getarnte Politik produziert“. Anders gesagt: Gegen akademische Freiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Die Reaktionen der Betroffenen zeigen, dass Akademiker, die in den Bereichen Rassen-, Geschlechter-, Migrations- und postkoloniale Studien arbeiten, von diesem Dokument besonders betroffen sind, da sie in der Vergangenheit von dänischen Politikern und Medien öffentlich angegriffen wurden.

Ähnliches spielt sich in Frankreich ab. Die Regierung Emmanuel Macrons behauptet, der „islamistische Separatismus“ werde durch den Links­islamismus (Islamo-Gauchisme) geschützt, der seinerseits von fremden, „vollständig aus den Vereinigten Staaten importierten sozialwissenschaftlichen Theorien“ wie dem postkolonialen oder antikolonialen Diskurs ausgehe.

Im Namen des Kampfes gegen diesen „islamistischen Separatismus“ legitimiert Macron ein hartes Vorgehen gegen muslimische Organisationen der Zivilgesellschaft. Zahlreiche Moscheen wurden systematisch durchsucht und geschlossen. Sie standen unter dem Verdacht, „Brutstätten des Terrorismus“ zu sein. Hilfsvereine und antirassistische Organisationen zur Bekämpfung von Islamophobie wurden ebenfalls geschlossen.

Österreich nimmt eine spezielle Position ein. Die Regierung gründete im Juli 2020 die staatlich finanzierte Dokumentationsstelle Politischer Islam und die Regierung von Sebastian Kurz führte einen Straftatbestand religiös motivierter Extremismus ein, der sich im Wesentlichen gegen den sogenannten politischen Islam richtet. Im Kampf gegen den politischen Islam wurden Kopftuchverbote eingeführt, was das Verfassungsgericht wieder aufhob, sowie Moscheen geschlossen, die ebenfalls auf Entscheidung von Verwaltungsgerichten bald wieder geöffnet wurden.

Die Kritik von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International half nichts. Im Gegenteil: Im November 2020 fand die größte Polizeioperation seit 1945 statt. Die „Operation Luxor“ gegen den angeblichen „politischen Islam“ wurde zwischenzeitlich ebenso als rechtswidrig erklärt. Während sich das damalige Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) mit islamophoben Verschwörungstheorien auseinandersetzte, entgingen ihm wichtige Informationen über einen Anschlag, der tatsächlich stattfand.

Bild: privat
Farid Hafez

ist Gastpro­fessor für Internationale Studien am Williams College, Massachusetts. Er forscht außerdem zum Thema Islamophobie bei der Bridge Initiative an der Georgetown University.

Und Österreich will diesen Weg zum Exportschlager machen: Im Herbst 2021 wurde eine jährliche Konferenz zur Intensivierung der Zusammenarbeit im Kampf gegen den sogenannten politischen Islam ins Leben gerufen, initiiert von der rechtskonservativen ÖVP. Mit dabei: Dänemark und Frankreich.

Während selbst die Grundrechteagentur der Europäischen Union (FRA) vor „diskriminierenden Auswirkungen von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung auf bestimmte Gruppen, insbesondere Muslime“ warnt, geht der Kreuzzug ungebremst weiter. Aber was bedeutet dieser Kampf gegen den politischen Islam und wohin führt er europäische Gesellschaften?

Hinter allen Muslimen wird die potenzielle Vertretung einer aufrührerischen politischen Gesinnung gesehen

Der Gedanke des politischen Islam basiert auf der Idee, dass MuslimInnen nicht unbedingt das Gesetz brechen oder Gewalt ausüben. Vielmehr wird ihnen eine subversive politische Tätigkeit unterstellt. Sie würden ihre europäischen Nationalstaaten unterwandern. Anders gesagt: Politische Partizipation wird argwöhnisch betrachtet. Hinter jedem Muslim und jeder Muslimin wird die potenzielle Vertretung einer aufrührerischen politischen Gesinnung gesehen, die die politische Ordnung zu destabilisieren droht. Schläfer und Schläferinnen.

Auf dem Weg dorthin werden Grundrechte wie die Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit geopfert. Dieser Trend hat eine weitere Spaltung zwischen den europäischen Staaten und ihrer muslimischen Bevölkerung zur Folge. Und langfristig bedroht er zahlreiche Grundrechte. Er höhlt die Demokratie im vorgeblichen Kampf gegen Demokratiefeinde aus.

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5 Kommentare

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  • Was ist denn das für ein unkritischer Text, der den politischen Islam komplett negiert. Totalitarismus und Freiheitsfeindlichkeit muss in jedem Gewand in dem er daher kommt abgelehnt werden.

  • Der Autor, Farid Hafez gehört zum sog. "Bridge Team" der Georgetown University. Diese private amerikanische Universität kooperiert mit Katar, sie hat dort auch einen Campus. Das "Bridge Team" diffamiert auf seinen Seiten, in sog. "fact sheets" u.a. liberale Muslime und Wissenschaftlerinnen, wie z.B. Ahmed Mansour, Seyran Ateş, Mouhanad Khorchide oder Suanne Schröter, als "islamophob" - also diejenigen, die sowieso schon durch Islamisten stark gefährdet sind.



    Abgesehen davon wurde Farid Hafez von der SETA-Stiftung, ein Propaganda-Instrument des türkischen Regimes, unterstützt, als er den sog. "European Islamophobia Report" verfasst hat. Auch dort werden liberale Muslim*innen diffamiert.

    • 0G
      03998 (Profil gelöscht)
      @LeandraM:

      Danke für diese Information! Bei dem Wort "Kreuzzug" konnte man/frau es sich ja schon denken in welche Richtung der Artikel geht ...

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Mein Bild von Muslimen ist diffus, weil es ja eine Zwangsreligion ist in der die Menschen hineingeboren werden und mit Ächtung, Strafe oder Tod bedroht sind, wenn sie sie ablegen wollen und in sofern keine Gruppe sind, die als Einheit betrachtet werden kann - hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert.



    In meiner Jugend waren Asylsuchende Menschen, die vor einem Gottesstaat oder einem Diktator geflohen waren und kaum einen Bezug zu der Religion hatten, der sie zwangsweise angehörten. Heute habe ich das Gefühl, dass die Religion identitätsstiftend ist und damit kann ich überhaupt nichts anfangen. Die meisten Greuel auf dieser Welt werden von Religionen abgesegnet.



    Kriminalität, auch Terror - darüber gibt es Statistiken und da liegen Muslime in westlichen Ländern vorne, insbesondere bei Gewaltdelikten und Sexualstraftaten. Über die Ursachen dafür sollte wohl auch mehr geforscht werden. Das nur als Kollateralschaden unserer Flüchtlingspolitik zu betrachen und zu ignorieren halte ich für gefährlich.

  • "...gegen den angeblichen „politischen Islam“ ..."



    Angeblich? Den politischen Islam gibt definitiv und ich finde es auch unangebracht, dass unter dem Deckmäntelchen Rassismus islamistischer Extremismus kleingeredet werden soll. Und es gibt nun mal Moscheen, die Extremismus und Intoleranz verbreiten sowie homophobe und frauenfeindliche Straftaten. Soll man das alles relativieren, weil es als rassistisch wahrgenommen werden könnte?



    Klar, es dürfen nicht grundsätzlich Freiheitsrechte beschränkt werden aber wenn eine Verein oder eine Moschee nachweislich Extremismus verbreitet, muss man den Laden auch schliessen können. Und ebenso vermisse ich ein deutliche Distanzierung vom Islamismus der meisten friedliebenden Muslime. Da hört und sieht man leider viel zu wenig, was auch islamophobe Tendenzen in der nicht muslimischen Bevölkerung verstärken kann.