Harff-Peter Schönherr über den Ausbruch der Schweinepest
: Chance zum Umdenken

Schweinepest. Schon das Wort hört sich sehr schlimm an. Hausschweine sterben in ihren Ställen, Wildschweine in der „freien Wildbahn“, zu der Romantiker unsere agrar- und forstindustriell durchoptimierte Kulturlandschaft gern verklären.

Der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Niedersachsen, Sperrzone und Ausnahmezustand inklusive, klingt nach einer Katastrophe. Landwirte klagen und geben sich ratlos. Veterinäre machen Überstunden. Jäger rücken zu ihren Hochsitzen aus, zu ihren Schwarzwildbeständen, die sie nicht in den Griff kriegen, weil es zu viele Mais-Monokulturen gibt und zu wenige hungrige Wölfe.

Das Mantra, das viele jetzt beschwörend wiederholen, lautet: Einzelfall! Hoffentlich reicht es, ein paar hundert Tiere zu keulen, und das war’s dann. Hoffentlich ist bald wieder alles wie immer. Hoffentlich kommt irgendwann eine Impfung. Aber die wahre Hoffnung liegt woanders. Die Schweinepest, so unheilbar sie ist, kann auch heilsam sein. Sie mahnt uns: Die viel beschworene Transformation der Landwirtschaft muss endlich Fahrt aufnehmen. Wäre Niedersachsen kein Massentierhaltungsland – jedes dritte Schwein wird hier gehalten –, ginge hier jetzt nicht so massiv die Angst um.

„Wir haben uns in den vergangenen Jahren intensiv auf einen möglichen Ausbruch vorbereitet“, sagt Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU). Die beste Vorbereitung wäre gewesen, die Tierbestände zu reduzieren. Aber das stand noch nie besonders weit oben auf ihrer Agenda. Hauptsache, jetzt entstehe kein „Flächenbrand“. Aber manchmal sind Brände ganz reinigend. Schaffen Platz für Neues.

Mut ist gefragt, visionäres Denken. Also: Runter mit den Tierbeständen, und sei es mithilfe der Seuche. Klar, Landwirte brauchen dann Geld vom Staat, um den Umbau zu stemmen. Aber wir geben Milliarden für Rüstungstechnik aus, da werden sich auch für die Landwirtschaft noch ein paar finden lassen. Obwohl: Gerade herrscht Mineraldüngerknappheit. Gülle, für deren Entsorgung manch Landwirt bisher viel Geld zahlte, wird ein Wirtschaftsgut. Vielleicht lernen wir doch wieder nichts.

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