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Immer stärkeres HochwasserDie Angst vor der großen Flut

Sind unsere Deiche hoch genug? In Hitzacker an der Elbe herrschen Zweifel darüber anlässlich des ersten Jahrestages der Flutkatastrophe im Ahrtal.

Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser: Erhöhung von Deichen in Hitzacker Foto: Philipp Schulze/dpa

Göttingen taz | „Wir müssen auf künftige Hochwasser gut vorbereitet sein“, sagt Holger Mertins. Flutkatastrophen wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten, als Hitzacker von der Elbe buchstäblich überspült wurde und große Teile der auf einer Insel gelegenen Altstadt tagelang unter Wasser standen, möchte der Bürgermeister des 5.000-Einwohner-Ortes im Kreis Lüchow-Dannenberg nicht mehr erleben. „Überlegungen, die Schutzmauer zwischen Stadt und Fluss zu erhöhen, finden deshalb meine Unterstützung und die unseres Stadtrates.“

Mit seinen Worten signalisiert FDP-Mann Mertins Zustimmung zu vorherigen Äußerungen der parteilosen Lüchow-Dannenberger Landrätin Dagmar Schulz. Sie war zum Jahrestag der Flutkatastrophe im Ahrtal vom NDR zu möglichen Konsequenzen für den Hochwasserschutz im Wendland befragt worden.

Denn für Schulz wie für Mertins ist demnach nicht die Frage, ob die nächste Flut kommt, sondern nur, wann sie kommt. „Obwohl wir“, wie der Bürgermeister im Telefonat mit der taz anmerkt, „jetzt ja durchaus ein paar Tage Trockenheit und Niedrigwasser hatten.“

Fünf „Jahrhunderthochwasser“

Fünfmal sind seit der Jahrtausendwende im Landkreis die Elbe und ihre Nebenflüsse weit über die Ufer getreten, haben Deiche überspült und durchbrochen, war vor allem Hitzacker von sogenannten Jahrhunderthochwassern betroffen: 2002, 2003, 2006, 2011 und 2013.

2006 war es am schlimmsten. Regenfälle und Tauwetter am Oberlauf der Elbe und ihren Zuflüssen hatten die Pegel im März und April gewaltig ansteigen lassen. In Hitzacker, das in seiner Insellage selbst durch keine Deiche geschützt ist, wurde der gesamte Stadtkern überspült. Auch Teile der Altstadt von Lauenburg in Schleswig-Holstein standen unter Wasser.

Als Konsequenz aus der Katastrophe begann in Hitzacker ein Jahr später der Bau einer Hochwasserschutzanlage. Insgesamt rund 36 Millionen Euro wurden dafür investiert. Herzstück ist eine fast einen Kilometer lange und 1,20 Meter hohe Schutzmauer zwischen Flussniederung und Stadtkern, die mit mobilen Teilen auf bis zu 2,70 Meter Höhe aufgestockt werden kann.

Ausgelegt ist die Schutzwand auf einen Pegelstand der Elbe von bis zu 8,96 Meter. Bei den Hochwassern 2011 und 2013 – damals stieg das Elbwasser bis auf 8,10 Meter – bewahrte die Mauer Hitzacker damit vor weiteren schweren Schäden.

Gefahr durch Treibgut

Dennoch wurde auch 2013 die Altstadt evakuiert. Dabei war die Schutzwand weniger vom steigenden Wasser bedroht. Angesichts der hohen Fließgeschwindigkeit der Elbe ging die größere Gefahr von mitgerissenem Treibgut aus, das die Mauer zu beschädigen oder zu zerstören drohte.

Inzwischen haben der fortschreitende Klimawandel und in der Folge immer extremere Wetterlagen im Wendland aber neue Sorgen ausgelöst. Vorläufige Berechnungen des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hätten ergeben, dass neue Bemessungen für Hochwasser festgelegt werden müssten.

Die Schutzwand müsse, um künftige Hochwasser sicher zurückzuhalten, noch einmal um 80 Zentimeter erhöht werden, sagt Landrätin Schulz und vergleicht die Regenfälle, die zum Hochwasser 2003 geführt haben, mit jüngsten Starkregenereignissen. Damals seien in Sachsen etwa 270 Milliliter in einer Stunde gefallen, im vergangenen Herbst in Norditalien dagegen schon 700 Milliliter.

Auch Bürgermeister Mertins hält nach Rücksprache mit Experten des NLKWN eine zusätzliche Höhe der Schutzwand von 80 bis 100 Zentimetern für notwendig. Außerdem sei es wichtig, rund um Hitzacker die Deiche zu erhöhen. „Wir sind ja vom Wasser umgeben“, sagt er. Nehme man nur die Schutzwand in den Blick, fließe das Wasser sozusagen hintenrum nach Hitzacker hinein.

Wir können nicht sicherstellen, dass bei einem zu erwartenden Hochwasser kein Schaden entsteht

Dagmar Schulz, Landrätin des Kreises Lüchow-Dannenberg

Die Kommunen im Wendland haben denn auch schon mit den Planungen für eine höhere Wand und weiter verstärkten Hochwasserschutz begonnen. Für die Umsetzung seien allerdings „erhebliche Mittel“ erforderlich, sagen Schulz und Mertins. Mittel, die von der Stadt, der übergeordneten Samtgemeinde Elbtalaue und vom Landkreis allein jedoch keinesfalls zu stemmen seien.

Sie könne als Landrätin Verantwortung übernehmen „für die Dinge, die ich auch beeinflussen kann“, fügte Schulz mit Blick auf Vorsorgemaßnahmen gegen weitere Hochwasser hinzu. „Aber es gibt Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Und der Landkreis Lüchow-Dannenberg ist nicht in der Lage, sämtliche notwendigen Finanzierungen eigenständig zu leisten.“

Die Dringlichkeit einer finanziellen Unterstützung hat die Landrätin jetzt in einer sogenannten Gefährdungsanzeige gegenüber dem Land Niedersachsen verdeutlicht: „Das heißt, dass wir nicht sicherstellen können, dass bei einem zu erwartenden Hochwasser kein Schaden für den Landkreis oder für Dritte entsteht.“

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