Filmfest Emden-Norderney: Nähe statt Glamour
Fest verwurzelt bei den Menschen: Beim „32. Internationalen Filmfest Emden-Norderney“ wird erstmals ein Preis für Umweltthemen vergeben.
Es ist das Sommerfilmfestival in der Region, und so konnte es auch nur eine Notlösung sein, als es im Vorjahr wegen der Pandemie vom Juni auf den Oktober verschoben wurde: Diese Entscheidung war umstritten und ein Teil des Festivalteams, zu dem auch Moderator*innen gehörten, viele Jahre lang die bekanntesten Stimmen des Festivals, schied im Streit.
Umso mehr kann sich nun Nora Dreyer freuen, denn sie wurde erst im Jahr 2019 als neue Geschäftsführerin benannt, die 32. Ausgabe ist also das erste „normale“ Filmfestival unter ihrer Leitung. Sie kommt aus Emden aus der Branche: Die 32-Jährige hat jahrelang das örtliche Cinestar-Multiplexkino geleitet, die Hauptspielstätte des Festivals.
Das IFEN versteht sich als Publikumsfestival. So erklärt sich, dass es 2021 nicht als Hybridveranstaltung abgehalten wurde, sondern in Präsenz, wenn auch unter Pandemiebedingungen: „Es ist uns ganz wichtig, Verbindungen zwischen Filmemacher*innen, Gästen aus der Filmbranche und dem Publikum zu ermöglichen. Und das ist online unmöglich!“ Auch im „normalen“ Festivalbetrieb läuft hier aber deshalb vieles anders. Die Preise bei den Wettbewerben vergeben keine Jurys, sondern das Publikum. Es gibt auch keinen roten Teppich – den Emder*innen soll es möglich sein, so Dreyer, „den Filmemacher*innen ohne Barriere und auf Augenhöhe zu begegnen“.
Nichts für Synchron-Snobs
Wohl nur in Emden gibt es auch eine Reihe mit Filmen, die schon in den Kinos gelaufen sind, es aber nicht bis nach Emden geschafft haben; einige davon, etwa „Belfast“ von Kenneth Branagh, werden bei diesen „Emder Premieren“ sogar deutsch synchronisiert gezeigt. Das ist für angereiste Festivalbesucher*innen gewöhnungsbedürftig, aber der Erfolg gibt den Macher*innen recht. Zu den Besonderheiten des Festivals gehört auch der Sonderpreis „Ein Schreibtisch am Meer“: Wer ihn gewinnt, wird für eine Woche auf die Insel Norderney eingeladen.
Das eigentliche Alleinstellungsmerkmal des Festivals ist aber der Emder Drehbuchpreis, den dann doch eine Fachjury vergibt: Im Jahr 2015 hat ihn Nora Fingscheidt für ihren späteren Erfolgsfilm „Systemsprenger“ gewonnen. Vor der Verleihung des Preises werden kurze Passagen aus den nominierten Drehbüchern in szenischen Lesungen vorgestellt.
Gänzlich zurück zur Normalität geht es in diesem Jahr noch nicht: In den Kinos sind zwar alle Coronabeschränkungen aufgehoben, aber das „Neue Theater“, die größte Spielstätte, wird gerade umgebaut, sodass Plätze fehlen werden. Da rechnet Dreyer noch nicht mit „einem Besucherrekord“.
Dafür wird in diesem Jahr zum ersten Mal der „Focus Future Award“ verliehen – ausgezeichnet werden damit Filme, die Umwelt- und Klimaschutz, ökologische Problemszenarien und andere zukunftsorientierte Themen künstlerisch überzeugend behandeln, heißt es. Ein Film im Programm ist wie maßgeschneidert für diesen Preis: Marten Persiels „Everything Will Change“ wurde zum Teil in Kiel gedreht und von der Nordmedia gefördert. In der Mischung aus Spielfilm und Dokumentarfilm entdecken drei Hipster im Jahr 2054, dass die Giraffen nicht nur ausgestorben sind, sondern auch jede Erinnerung an sie ausgelöscht wurde. Die drei machen sich auf eine Reise in geheime und versteckte Archive und finden heraus, dass es nach dem Jahr 2020 ein verheerendes Artensterben auf der Erde gab.
32. Internationales Filmfestival Emden-Norderney: 8.–15. 6., Programm und Infos www.filmfest-emden.de
Auf analogen Datenträgern finden sie Zeugnisse dieser Katastrophe: Dafür montiert Persiel aktuelle, selbst gedrehte Interviewsequenzen – mit Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen und Künstler*innen – mit Archivaufnahmen von Tieren, die heute vom Aussterben bedroht sind. Als „Science-Fiction“ bezeichnet er selbst seinen Hybridfilm. Der könnte schon vom Thema her ein Erfolg werden bei den jungen „Fridays for Future“-Demonstrant*innen. Und die gibt es ja auch in Emden.
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