Kohlekraftwerke bleiben länger in Bereitschaft

Bundesregierung trifft weitere Vorbereitungen für Boykott von russischem Gas und Öl. Habeck erwartet kurzfristige Einigung über Ölboykott und drängt auf Preisobergrenze

Muss möglicherweise bald ohne Putins Gas auskommen: Kraftwerk Irsching an der Donau Foto: Jens Niering

Von Malte Kreutzfeldt

Die Bundesregierung bereitet sich weiter auf einen Importstopp für Gas und Öl aus Russland vor. Nachdem im vergangenen Jahr noch 55 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases aus Russland stammte, ist dieser Wert durch höhere Lieferungen aus Norwegen und über Flüssiggas-Importe über Terminals in Nachbarländern bereits auf 35 Prozent gesunken. Zwei zusätzliche schwimmende Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste sollen die Abhängigkeit von Russland schon im kommenden Winter weiter reduzieren. Parallel dazu hat das Wirtschaftsministerium nach Angaben aus Regierungskreisen nun ein Gesetz erarbeitet, mit dem der Gasverbrauch gesenkt werden soll.

Der Gesetzentwurf, der am Dienstag in die Ressortabstimmung gegeben wurde, sieht vor, die Stromerzeugung mit Gas stark zu beschränken. Wenn Gas knapp ist oder eine Knappheit erwartbar ist, soll ein Preisaufschlag bis zu sechs Monate dafür sorgen, dass Gaskraftwerke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Ausnahmen soll es nur geben, wenn die Kraftwerke neben Strom auch Wärme erzeugen und diese nicht auf andere Weise produziert werden kann. Durch diese Maßnahme könnte der Gasverbrauch um etwa 10 Prozent sinken, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium.

Im Gegenzug müsste dann vorübergehend mehr Strom in Kohlekraftwerken erzeugt werden. Um das zu ermöglichen, sollen jene Kraftwerke, die gemäß dem Kohleausstiegsgesetz in diesem Jahr stillgelegt werden, nicht vom Netz gehen, sondern zwei Jahre lang in Reserve gehalten werden. Bei drohendem Gasmangel dürfen diese Anlagen mit einer Kapazität von 2,6 Gigawatt auf Anforderung des Wirtschaftsministeriums wieder angefahren werden. Gleiches gilt für weitere Kohle- und Ölkraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 6,8 Gigawatt, die bereits jetzt als Reserve bereitgehalten werden. Sie sollen so umgerüstet werden, dass sie kurzfristig einsatzbereit sind. Die Kosten dafür werden über die Netzentgelte auf die Stromkunden umgelegt. Am langfristigen Ziel, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen, soll sich durch die Pläne laut Wirtschaftsministerium nichts ändern.

Während beim Erdgas unklar ist, ob es kurzfristig zu einem Stopp der Lieferungen aus Russland kommt, rückt dieser beim Öl offenbar näher. Eine Einigung der EU-Staaten auf ein Embargo sei in greifbarer Nähe, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montagabend im ZDF: „Ich denke, innerhalb von wenigen Tagen werden wir da auch den Durchbruch erzielen.“ Bisher war die Entscheidung, die einstimmig fallen muss, am Widerstand Ungarns gescheitert.

„Putin hat weniger Öl verkauft und mehr Einnahmen gehabt“

Robert Habeck, Minister

Parallel dazu wollen die USA und die EU eine Obergrenze beim Ölpreis durchsetzen. Der Grünen-Politiker verwies am Montagabend im ZDF-„heute journal“ auf den Ölpreisanstieg infolge der Debatte über das von der EU geplante Embargo gegen Öl aus Russland. „Putin hat also in den letzten Wochen weniger Öl verkauft und mehr Einnahmen gehabt“, folgerte Habeck.

Das aber sollte vermieden werden, weil weltweit hohe Ölpreise zudem der Wirtschaft zu schaffen machten. „Da ist die Idee, dass man sich abspricht und sagt, wir zahlen hier nicht mehr jeden Preis.“ Dies würde aber nur funktionieren, wenn sehr viele Länder teilnehmen würden. „Die Europäische Kommission und die USA arbeiten genau an diesem Vorschlag“, sagte Habeck weiter. (mit rtr)

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