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The Real Russia Today – erfolgreicher Exiljournalismus

Das russische Onlinemedium „Meduza“ informiert seit seiner Gründung 2014 unzensiert aus dem lettischen Exil

Von Anastasia Tikhomirova

Das russische Onlinemedium Meduza ist neben TV Rain, Echo Moskvy und Novaja Gaseta eines der unabhängigen Leitmedien Russlands und wurde 2014 von Jour­na­lis­t:in­nen des früheren Medienprojekts lenta.ru gegründet. Seit 2015 gibt es auch eine englischsprachige Version der Webseite. Obwohl Rus­s:in­nen Meduza betreiben, hatte das Onlinemedium seinen Hauptsitz von Anfang an in der lettischen Hauptstadt Riga. Den Re­dak­teu­r:in­nen war klar, dass sie in Moskau, wo sie noch ein Büro hatten, nicht frei arbeiten können. Viele Meduza-Jour­na­lis­t:in­nen haben in der Folgezeit Russland wegen Drohungen verlassen. So wurde etwa der Journalist Iwan Golunow wegen des erfundenen Verdachts auf Drogenbesitz und -verkauf festgenommen, seine Wohnung durchsucht. Später musste er aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen werden.

Seit 2017 produziert Meduza, das im Jahr 2020 in Russland die Nr. 1 der am meisten zitierten Internet­ressourcen war und Ende 2019 monatlich mehr als 13 Millionen Seitenaufrufe zählte, auch Podcasts auf Russisch zu politischen und gesellschaftlichen Themen. Seit 2020 betreibt Meduza auch einen eigenen Youtube-Kanal.

Meduza legt großen Wert auf die Überprüfung von Fakten, kennzeichnet vertrauenswürdige Quellen und führte 2019 einen Aufsichtsrat ein, der die Einhaltung redaktioneller Standards und Richtlinien überprüft. Doch am 23. April 2021 wurde Meduza als zweites großes unabhängiges Medium vom russischen Justizministerium zu einem „ausländischen Agenten“ erklärt. Das führte zu einer breiten Solidarität unter russischen Jour­na­lis­t:in­nen.

Zwar wirkte sich diese feindliche Einstufung kaum auf Meduzas Klickzahlen und Einschaltquoten aus. Doch wurde es schwieriger, Werbekunden zu finden. Deshalb führte Meduza Merchandising Produkte, In-App-Käufe und Crowdfunding ein, um die Arbeit weiterhin finanzieren zu können. Auch musste das Büro in Moskau schließen.

Am 4. März sperrte Russlands Medienaufsicht Roskomnadsor Meduzas Website wegen „gezielter und systematischer Verbreitung von Informationsmaterial, die falsche Informationen über das Wesen der speziellen Militäroperation in der Ukraine“ enthielt. Meduza hatte sich geweigert, den Krieg nicht als Krieg zu bezeichnen und die unzensierte Berichterstattung darüber einzustellen. Die Seite ist jetzt in Russland nur noch per VPN zugänglich.

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