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Historikerin über Kinder im KZ„Der Tod war für sie normal“

Weil die meisten starben, weiß man wenig über Kinder im KZ. Historikerin Diana Gring hat aus Überlebenden-Interviews eine Ausstellung gemacht.

Einziger Trost: Lumpenpuppe eines damals elfjährigen Mädchens im KZ Bergen-Belsen Foto: Niedersächsische Gedenkstätten/W. Musterer
Interview von Petra Schellen

taz: Frau Gring, man weiß nur wenig über Kinder in Konzentrationslagern – warum?

Diana Gring: Weil die meisten Kinder, die zu Verfolgungsgruppen gehörten, in der NS-Zeit umgebracht wurden. Überleben durfte nur, wer arbeiten konnte. Dazu gehörten Kinder unter 14 Jahren im Allgemeinen nicht. Deshalb wurden sie meist direkt in reine Vernichtungslager deportiert und kamen nicht in das KZ-System, wie man es in Bergen-Belsen oder Neuengamme hatte. In Bergen-Belsen, von dem diese Wanderausstellung vorrangig handelt, waren allerdings relativ viele Kinder.

Warum das?

Weil Bergen-Belsen als sogenanntes Aus­tausch­lager gegründet wurde. Dort hat man jüdische Familien mit ihren Kindern als Geiseln gefangen gehalten, um sie auszutauschen – gegen im Ausland internierte Deutsche oder gegen Geld. Eine größere Gruppe wurde zum Beispiel in die Schweiz „verkauft“ und so gerettet. Auch mit Palästina, Spanien und der Türkei gab es Austausche. Ein zweiter Grund für die relativ vielen Kinder in Bergen-Belsen waren die Räumungstransporte und Todesmärsche aus anderen Lagern nach dort gegen Ende des Krieges. Damals räumten die Nazis viele Lager, um Spuren zu verwischen. Aus Ravensbrück etwa kamen viele Frauen mit Kindern, aber auch Schwangere. In den letzten Monaten vor Kriegsende wurden in Bergen-Belsen ungefähr 200 Kinder geboren. Insgesamt waren in den zwei Jahren des Bestehens von Bergen-Belsen circa 3.500 der 120.000 Häftlinge Kinder unter 15 Jahren.

Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (W. Musterer)
Im Interview: Diana Gring

52, Historikerin und Politologin, ist seit 2009 Kuratorin an der Gedenkstätte Bergen-Belsen.

Wie viele dieser Kinder starben?

Wir wissen es nicht genau. Kurz vor Kriegsende, bevor die britischen Alliierten kamen, wurde die gesamte Lagerregistratur von Bergen-Belsen verbrannt. Oft wurden Kinder im KZ-System auch nicht als eigenständige Personen registriert. In den wenigen überlieferten Dokumenten steht dann „Mutter mit Kind“, oder „Frau, 8. Monat schwanger“. Wir schätzen, dass circa 600 Kinder in Bergen-Belsen starben.

Auf welchen Quellen fußt Ihre Ausstellung?

Vor allem auf seit 20 Jahren geführten Interviews mit Kinder-Überlebenden, denen wir oft erst sagen mussten, dass sie wichtige ZeugInnen sind, obwohl den Jüngsten unter ihnen die bewusste Erinnerung fehlt.

Um welche Fragen ging es?

Zum Beispiel um das Lernen: Wie haben Eltern versucht, Kindern auch unter diesen Bedingungen etwas beizubringen – etwa das Zählen beim Appell oder anhand von Leichen? Wie kümmerten sich Mithäftlinge um Waisen? Die Ausstellung zeigt beispielsweise ein Paar Handschuhe, das eine damals Elfjährige, die allein nach Bergen-Belsen kam, von einer Mitgefangenen zugesteckt bekam. Es war das Einzige, was sie hatte, was ihr Wärme gab – für sie ein wichtiges Zeichen von Hilfe und Solidarität.

Wie hat das KZ das weitere Leben dieser Kinder geprägt?

Die Ausstellung

„Kinder im KZ Bergen-Belsen“: Eröffnung 3. 4. von 12 bis 14 Uhr. Laufzeit bis bis 26. 6., Hamburg, KZ-Gedenkstätte Neuen­­gamme

Umfassend. Die Kinderhäftlinge hatten dieselben katastrophalen Lebensbedingungen wie die Erwachsenen. Sie haben Hunger gelitten, Gewalt erlebt, Angehörige neben sich sterben sehen. Die Folgen dieses extremen Traumas bestehen meist ein Leben lang, physisch wie psychisch. Das gilt auch für jene, die keine eigenen Erinnerungen an die Lagerzeit haben.

Wie haben sie den allgegenwärtigen Tod verkraftet?

Viele sagen heute, dass sie damals völlig abgestumpft waren. Dass es für sie normal war, dass sie damals nicht begriffen haben, wie furchtbar das alles war. Etliche waren ja in die Verfolgung hineingeboren worden. Sie kannten gar kein normales Leben und hatten 1945 Schwierigkeiten, sich in den Alltag einzufinden. Viele haben die Hilfe von Psychologen und Traumatherapeuten gebraucht.

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