Das Festival der ersten Filme

Etwas kleiner als in anderen Jahren, aber beinahe wieder wie vor Corona: In Hamburg findet das Nachwuchsfilmfestival „abgedreht!“ statt – zum inzwischen 32. Mal

Gans trifft Waisenmädchen: „Jojo – eine wunderbare Freundschaft“ haben drei Teenagerinnen eingereicht Foto: abgedreht!

Von Wilfried Hippen

Die Stadt Hamburg tut etwas für ihren Filmnachwuchs – und das seit 1988: Damals wurde ein Festival gegründet, ursprünglich unter dem Namen „Abgezoomt“, was damals noch eine andere Bedeutung hatte als heute, in den Zeiten all der Zoomkonferenzen. Bald darauf wurde es aber schon umbenannt in „abgedreht!“, und über die Jahrzehnte seither haben etwa Regietalente wie Fatih Akin und Özgür Yildrim dort ihre ersten Filme gezeigt. Die derzeitige Festivalleiterin Carina Steffen-Schwering wurde selbst 1988 geboren – selten passen Biografie und Tradition so gut zueinander.

In anderer Hinsicht hatte Steffen-Schwering kein ganz so gutes Timing: 2020 wurde das erste von ihr organisierte Festival zwei Wochen vor der Eröffnung abgesagt – wegen Corona. Und im vergangenen Jahr waren die Kinos dann immer noch – oder besser: schon wieder – geschlossen. Immerhin gab es 2021 aber eine originelle Notausgabe, Filme waren nicht nur online zu sehen, sondern zum Teil auch im Rahmen sogenannter Spaziergänge in Schaufenstern in der Hamburger Innenstadt: Zu den elf Stationen gehörten Geschäfte, Kirchen und die Staatsoper. 2022 nun, im dritten Jahr, kann Steffen-Schwering das Festival in einem Kino und vor Publikum eröffnen: Das bereits 32. „abgedreht!“-Festival findet heute und morgen im Zeise-Kino in Hamburg-Ottensen statt.

Für den Wettbewerb wählen die örtlichen Hochschulen und Filmstudiengänge vielversprechende Semesterarbeiten aus, aber auch Au­to­di­dak­t*­in­nen können Filme einreichen. Die Nach­wuchs­künst­le­r*in­nen dürfen nicht älter als 27 Jahre sein – es gibt aber eine Ausnahmeregelung für eingeschriebene Filmstudent*innen. Unter normalen Umständen beläuft sich die Zahl der Einreichungen auf etwa 150, daraus wählt dann eine Fachjury etwa ein Drittel für die Programmblöcke aus; in diesem Jahr waren es mit rund 100 Filmen etwas weniger Bewerbungen. 39 Kurzfilme werden diesmal im Kino gezeigt, außerdem werden fünf Preise vergeben, vier von der Jury, der fünfte vom Publikum.

Die jüngsten Teil­neh­me­r*in­nen am Wettbewerb sind drei 12 und 13 Jahre alte Mädchen, die den fünf Minuten langen Kurzspielfilm „Jojo – eine wunderbare Freundschaft“ gedreht haben. Darin geht es um die Treue einer Gans zu einem Waisenmädchen. Der kürzeste Film im Programm ist nur 60 Sekunden lang, der längste 34 Minuten. Stilistisch reicht die Bandbreite vom animierten Experimentalfilm über „Coming of Age“, Comedy und Thriller bis zum Film noir mit dem Titel „Love in times of Covid 49“.

Früher zählten die Schulvorstellungen zu den Höhepunkten des Festivals

Apropos: Dass die Pandemie ein thematischer Schwerpunkt ist, liegt nahe. In der Dokumentation „Ein weiterer Tag“ folgt die Kamera einer jungen Frau, die ihre Gedanken und Gefühle in der Coronakrise offenbart, „Wohin“ ist die Charakterstudie einer jungen Frau in Quarantäne. Und die animierte Dokumentation „Is water safer than land?“zeigt, wie Menschen in einer Geflüchtetenunterkunft die Herausforderungen durch die Pandemie bewältigen.

Ganz ohne Einschränkungen findet „abgedreht!“ auch in diesem Jahr noch nicht statt. Das Schulprogramm mit Filmen, produziert von Hamburger Schulklassen, wird nur online gezeigt: Die beiden etwa 60 Minuten langen Programme laufen am Mittwoch und Donnerstag jeweils um 11 Uhr im Livestream. Entstanden sind die Filme bei Workshops in vier Partnerschulen; darunter sind auch Legetrickfilme von Grundschüler*innen.

In früheren Jahren zählten diese Schulvorstellungen an den Vormittagen zu den Höhepunkten des Festivals, weil hier Schüler*innen gemeinsam mit anderen zum ersten Mal ihre eigenen Filmbilder auf einer großen Leinwand sehen konnten. Solche prägenden Erfahrungen wird es online trotz einer Zoomkonferenz kaum geben. Und dennoch: Wie die Periskope auf dem Festivalplakat versprechen, ist „Kino in Sicht“.

Nachwuchsfilmfestival „abgedreht!“: Mi + Do, 30. + 31. 3., Hamburg, Zeise-Kino. Preisverleihung: 31. 3., 20 Uhr (Eintritt frei, Reservierung auf www.zeise.de).

Internet: https://abgedreht.hamburg