FC Barcelona deklassiert Real Madrid: „Wir sind zurück“
Mit einem eindrucksvollen 4:0-Erfolg bei Tabellenführer Real Madrid hofft der FC Barcelona, nach düsteren Zeiten eine Trendwende eingeleitet zu haben.
Schon nach 40 Minuten hört man Olés der wenigen hundert Fans des FC Barcelona im Madrider Estadio Santiago Bernabéu. Nach 55 Minuten verließen erste Anhänger der Heimelf ihre Plätze. Gegeben wurde, was in der katalanischen Presse schon vorher als „Clásico des Wandels“ ersehnt wurde und was in seiner Deutlichkeit dann die kühnsten Prognosen übertraf. Barça nahm Tabellenführer Real auseinander und hätte viel höher gewinnen können als 4:0 durch Tore von Pierre-Emerick Aubameyang (2), Ronald Araújo und Ferran Torres.
Barça, war da nicht mal was? Erst wenige Monate ist es her, da schlich das Artefakt einer Mannschaft über den Platz. Ein hoch verschuldetes Barça schien zum Dauerpatienten mutiert und verlor wichtige Spiele mit depressiver Zuverlässigkeit. Als der einstige Spielmacher Xavi Hernández im November das Traineramt übernahm, war er wegen seiner „DNA Barça“, seinem Glauben in den eigenen Klub und dessen Spielstil, so etwas wie die letzte Hoffnung. Im Winter bekam er mit Ferran Torres und Pierre-Emerick Aubameyang zwei Klassestürmer dazu. Und auf einmal passt alles zusammen.
Die Intensität, auch wenn man am Donnerstag noch Europa League in Istanbul spielen musste, derweil sich Real die ganze Woche vorbereiten konnte. Die Kombinationen mit dem ewigen Sergio Busquets im Mittelfeld, dem befreiten Frenkie de Jong und dem Ausnahmeteenager Pedri. Eine spielstarke Abwehr, aus der heraus der im Herbst noch als untauglich verschriene Eric García lauter Bernd-Schuster-Gedächtnissteilpässe abschickte. Und eben der Sturm mit dem bei Arsenal ausgebooteten Aubameyang, der Barças Angriffen ein Ziel gibt, in 444 Ligaminuten schon sieben Tore erzielte und in Madrid dazu noch eines mit der Hacke auflegte. Sowie seinem Kollegen Ousmane Dembélé, der in den letzten fünf Ligaspielen sieben Tore vorbereitete, darunter die beiden ersten in Madrid. Im Januar war er noch wegen des Streits über eine Vertragsverlängerung suspendiert.
„Hallo vom erledigten Spieler“, twitterte Aubameyang später angesichts der Abgesänge über ihn – sein ganzer Klub hätte dasselbe schreiben können. Wie sehr das erduldete Leid den Verein zusammengeschweißt hat, wie der anfangs so traumatisch scheinende Verlust von Lionel Messi mehr Unberechenbarkeit im Spiel, aber auch Ungezwungenheit im Umgang ermöglicht – das ließen die Jubelszenen aus der Kabine erahnen. Tanzende Profis, die grölen: „Ser del Barça és el millor que hi ha“, es gibt nichts Besseres, als es mit Barça zu halten. Als ob sie sich nie wieder voneinander trennen werden, auch nicht Dembélé, der dazu irgendwas ruft, manche wollen verstanden haben: „Ich bleibe“. Als ob alle jetzt schon sicher wüssten: Das ist ein Zyklenwechsel.
Harakiri von Trainer Carlo Ancelotti
Tatsächlich gilt der Clásico in Spanien schon wegen seiner emotionalen Folgen seit jeher als Thermometer für den Zustand beider Klubs. 2004 etwa antizipierte ein Barça-Sieg im Bernabéu die Trendwende von der Galaktischen-Herrschaft Madrids zum Tikitaka-Zeitalter Barcelonas. Ja, es habe vielleicht etwas von 2004, sagte Xavi, der damals als Spieler auf dem Platz stand. Mindestens habe man die Verliererkultur der letzten Jahre abgestreift, die unter anderem zu fünf Clásico-Pleiten in Serie geführt hatte. Abwehrveteran Gerard Piqué twitterte nur drei Worte: „We are back“.
Und Madrid? Leckt die Wunden, die es sich auch selbst zugefügt hatte – durch das Harakiri von Trainer Carlo Ancelotti, für den verletzten Schlüsselspieler Karim Benzema den Spielmacher Luka Modrić als „falsche Neun“ in den Sturm zu ziehen und noch einen zweiten Mannschaftsteil zu schwächen. Sowie bei 0:2 auf eine unerprobte Mann-gegen-Mann-Verteidigung umzustellen.
„Mea culpa“ brummte Ancelotti und bat, aus der Niederlage „kein Drama zu machen“. Doch das ist bei diesem Prestigekampf erstens immer so eine Sache. Zweitens bestätigte der Abend den Eindruck, dass Madrids Ergebnisse – zuvorderst das wundersame Weiterkommen gegen Paris St. Germain in der Champions League – besser sind als die fußballerische Substanz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Trumps Krieg gegen die Forschung
Byebye Wissenschaftsfreiheit
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten