Susanne Knaul zu den erleichterten Coronamaßnahmen
: Nicht dahin und nicht daher

Wer möchte sich nicht auf immer von der Maske verabschieden? Vor allem für BrillenträgerInnen ist die anfangs selbstgenähte, die medizinische, die FFP2- oder sogar die FFP3-Schutzmaske super lästig, wenn sie bei feucht-kühlem Klima die Gläser vernebelt. Oft ist sie gerade nicht zur Hand, wenn man sie braucht, sie drückt an den Ohren und nimmt ihren TrägerInnen die Frischluft. Nur weg damit – lieber heute als morgen. Hallelujah, werden sich jetzt viele freuen, dass der bisweilen lebensrettende Fetzen nun nur noch reduziert zum Einsatz kommen muss. Kanzler Olaf Scholz appelliert zwar zum weiteren freiwilligen Tragen. Klar doch.

Jeder soll jetzt dem „eigenen Gefühl“ folgen, also aus dem Bauch heraus entscheiden, wo die Maske angebracht ist oder auch nicht. Die Regierung legt die weiteren Entwicklungen in die Verantwortung der Verantwortungsvollen, die sich freiwillig den nicht mehr bindenden Regeln unterwerfen, weil sie das Virus scheuen.

Die unentschlossene Ansage der Ampelkoalition dürfte für einige Unruhe an den Schulen sorgen. Man stelle sich eine Drittklässlerin vor, die entweder selbst vor der Erkrankung Angst hat oder von ihren Eltern zum Tragen der Maske angehalten wird. Wie lange wird es dauern, bis die Maske als „uncool“ gilt und ihre TrägerInnen stigmatisiert. Die dann allerdings, wenn ihre KlassenkameradInnen im Zuge der Durchseuchung dem Virus anheimfallen, als letzte Gesundgebliebene lachen.

Nichts anderes als eine Durchseuchung ist offenbar das Ziel der Erleichterungen. Aber wenn das so ist, warum werden dann nicht konsequent sämtliche Coronamaßnahmen umgehend, umfassend und endgültig aufgehoben?

Das Argument, Menschen mit Vorerkrankungen würden dem Virus ausgeliefert, hinkt. Denn jedeR kann sich selbst schützen. Zwischen 95 Prozent bei einer FFP2-Maske und mindestens 99 Prozent Schutz bei einer FFP3-Maske verspricht eine deutsche Drogeriekette, vorausgesetzt, die Maske liegt eng an. Dabei ist das Gummibändchen am Hinterkopf hilfreich. Angenehm ist das nicht, aber es kann Leben retten.

inland