wortwechsel: Von Solidarität und Sanktionen
Beeindrucken Zar Putin die Sanktionen nach seinem Angriff auf die Ukraine, welche Auswirkungen haben sie auf uns? Ältere Menschen möchten nicht digital abgekoppelt sein
Digital abgekoppelt
„Brief des Tages vom 22. 2. 22“, zum Text „Alt, aber kein Idiot“
Ein herzlicher Dank an die Briefschreiberin Brigitte van Hoorn, die mir aus Kopf und Herz spricht. Wir alle sind „nicht mehr die richtigen Kunden“ für die Banken, die gegenwärtige Wirtschaft und weitere Institutionen! Denn wir Älterwerdenden (und nicht nur die) benötigen immer mehr Hilfe durch all die digitalen Veränderungen, das Abbauen von örtlichen Filialen, das Abschieben von Arbeitsvorgängen der Institutionen an die Kunden. Die Gesellschaft hat ihre Aufgabe noch nicht begriffen: sicherzustellen, dass die Lebensvor- und -fürsorge auch für die alten Menschen gewährleistet ist. Und woran all die fitten Jüngeren nicht denken: dass auch sie eines Tages durch Beeinträchtigungen beim Älterwerden, durch Augen-, Hör- und Hirnprobleme konkrete menschliche Hilfe benötigen könnten wie zum Beispiel einen lebenden Menschen am andern Ende der Telefonleitung, der in 2 Minuten erklärt, was digital neuerdings manchmal Tage braucht. Und weiß diese Gesellschaft eigentlich, wie unendlich viele alte Menschen voll ausgelastet sind mit der (oft Ganztags-)Pflege ihrer PartnerInnen, Verwandten oder FreundInnen und dafür jedwede Hilfe brauchen könnten statt digitaler Abkopplung?
Fridburg Thiele, Berlin
Barrierefreiheit
„Alt, aber kein Idiot“,
taz vom 16. 2. 22
und Briefe vom 19. 2. u. 22. 2. 22
Im März werden in Berlin Seniorenbeiräte gewählt und die Kandidaten stellen sich vor. Bei der Vorstellung in Reinickendorf haben sich mehrere von 19 Kandidaten für Computerkurse für Senioren und Ähnliches ausgesprochen, aber nur ein Kandidat hat gefordert, dass ein Dienstleistungsangebot erhalten bleibt für die Menschen, die die modernen Techniken nicht nutzen können, sei es aus gesundheitlichen, Bildungs- oder finanziellen Gründen. Zahlreiche Kandidaten wollen sich für den Abbau von Barrieren für körperlich Behinderte einsetzen, aber die wenigsten haben erkannt, dass dies nur die sichtbaren Barrieren sind, die unsichtbaren Barrieren werden täglich mehr und sie heißen „Digitalisierung“. Es mag ja sein, dass die Digitalisierung manches erleichtert, aber nicht für alle, und die, die das nicht mitmachen können, werden vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Werner Reidenbach, Berlin
Profitcenter
„Singend fuhr er in die Klinik“,
taz vom 20. 2. 22
Ich kann den Artikel sehr gut nachempfinden und erlebe in meinem Umfeld stetig häufende Ereignisse ähnlicher Art. Ärzte, die abwiegeln oder sich keine Zeit für eine ordentliche Amnese nehmen, Krankenhäuser und deren Personal, die überfordert sind, und die damit verbundene mangelnde Empathie für den Patienten und seine Angehörigen. Das kommt davon, wenn man ein Gesundheitssystem an Profitgeilheit erkranken lässt und für einige junge, erkaltete Student:Innen Medizin zu einem guten Teil Mode und Gehaltsträume darstellt. Es mangelt am Wichtigsten: gute, einfühlsame Hausärzte und ein System, das die Bezeichnung Gesundheitssystem verdient. Exceltabellen lindern keine Schmerzen. Die Coronakrise hat gezeigt, dass Krankenhäuser als Profitcenter ungeeignet sind, denn zwei Positionen finden in diesem System keinen Wert: Mitgefühl und Fürsorge. Ich vermisse die Diskussion innerhalb der Statistikorgien über Kranke und Tote, wie man das System retten und verbessern will; wie eine überbordene Bürokratie als Bremsklotz endlich abgeworfen werden kann.
Herbert Kaffenberger, Leipzig
Russisches Gas
„Neue Lage, keine Pipeline“,
taz vom 22. 2. 22
Bundeskanzler Olaf Scholz hat in vorauseilendem Gehorsam für Biden eine „Sanktion“ gegen Russland verhängt. Dies ist aber keine Sanktion gegen Russland, sondern gegen die eigene Bevölkerung, also gegen uns. Putin kann sein Gas auf dem Weltmarkt anbieten, der braucht uns nicht als Abnehmer. Wir aber sind abhängig vom russischen Gas.
Klar, wir können natürlich das teuere Fracking-Gas aus Amerika kaufen. Den Grün*innen ist das natürlich ganz recht, der Gaspreis verteuert sich ganz von selbst, die Schuld kann man den Russen zuschieben, da drückt man beim Fracking schon mal ein Auge zu.
Gerhard Schöttke, Uhingen
Geld- und Politadel
„Hoher Preis für Putin“,
taz vom 24. 2. 22
Sanktionen sollten sich gegen den russischen Geld- und Politadel richten. Ihre Jachten und Luxusimmobilien beschlagnahmen, ihre Konten sperren, ihre Tankfirmen auflösen, in denen sie Geld verstecken, das sie dem Volk geraubt haben, und so weiter. Damit wird Unzufriedenheit bei den Unterstützern Putins erzeugt, auf deren Unterstützung er angewiesen ist – ohne dass er deren Verluste ausgleichen kann. Man trifft also nicht das Volk. Ich finde das sehr schlau. Vielleicht sollten Sie das aufgreifen. Viele Menschen empört die Dreistigkeit, mit der diese Typen in Europa ihrem Luxus frönen – Putin selbst macht es vor. Vielleicht ist es diesen Typen sogar nicht ganz gleichgültig, wenn ihre Unmoral in Europa öffentlich diskutiert wird. Anita Schwaier, Oberursel
Anachronistisch
„Dunkler Tag für Europa“,
taz vom 23. 2. 22
Was kann Solidarität mit der Ukraine jetzt konkret sein? Helfen, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen und zu kontrolliertem Handeln ermuntern. Nicht zu warten, was Putin als Nächstes anordnet. Noch unterstehen [2]/3 von Donezk und Lugansk Kiew. Das Werkzeug der Demokratien sind Wahlen. Eine Volksabstimmung innerhalb von 14 Tagen möge den Willen der Bevölkerung bezüglich Zugehörigkeit feststellen. Da die Nato nicht eingreifen wird, Kiew militärisch Moskau nicht standhalten kann, beide Optionen Krieg bedeuten, wären Wahlen der Versuch, das Heft des Handelns zu ergreifen. Gegenmaßnahmen des Westens sind Sanktionen. Eigene Opfer erhöhen die Glaubwürdigkeit in dieser anachronistischen Seifenoper.
Klaus Warzecha, Wiesbaden
Aktion und Reaktion
„Berlin solidarisch mit der Ukraine“,
taz vom 23. 2. 22
Selbstverständlich sympathisiere ich keinesfalls mit dem Mörder und Despoten Putin. Doch sollten bei aller „Solidarität mit der Ukraine“ die deutschen Medien einschließlich der taz das ständige westliche Säbelrasseln nicht ignorieren. Die Mitgliedsstaaten der nach immer mehr Macht lechzenden Nato haben Russland, so gut geografisch möglich, eingekreist. Dieses befremdliche Bündnis, das unter dem heuchlerischen Deckmantel der Friedenssicherung zum größten Aggressor auf dem Planeten geworden ist, kann einen der (noch) mächtigsten Imperatoren schon hypernervös machen. Putins Eroberungsfeldzüge brechen Gesetze und sind menschenverachtend. Doch sollte man Aktion und Reaktion nie außer Acht lassen. Peter Kaschel, Recklinghausen
Zar Putin
„In Europa droht ein Krieg“,
taz vom 19. 2. 22
Irgendwelche größenwahnsinnige Despoten sitzen in ihren Palästen und spielen eine Art Schach. Doch die Figuren, die sie herumschieben, sind echte Menschen wie Soldaten. Aktuell lässt der verschlagene Zar Putin seine Muskeln spielen. Er will Grenzverläufe wiederherstellen, die vor mehr als hundert Jahren galten. Dass dabei ein freier, unabhängiger Staat angegriffen wird und Völkerrecht massiv verletzt wird, ist ihm egal. Auch das unsagbare Leid, dass er durch seine Befehle auslöst, interessiert ihn nicht. Wann steht der russische Bär (das Volk) endlich auf und beendet diesen Spuk?
Achim Bothmann, Hannover
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen