meinungsstark:
Die Narben von Hanau reißen immer wieder auf. Nur die Opfer trauern?
„Zweiter Jahrestag des Terrors in Hanau: Gedenken und Kritik“, taz vom 19. 2. 22
„Willst du später mit zur Demo?“ Diesen Satz finde ich in mehreren Chatverläufen. Sie sind allesamt datiert auf den 21. Februar 2020. Es ist Karnevalsfreitag in Köln. Während für abends eine Demonstration anlässlich des rechtsextremen Attentats in Hanau am Kölner Dom organisiert ist, befindet sich die restliche Stadt im Ausnahmezustand. Es wird ausgelassen gefeiert. Redner*innen bekunden ihre Solidarität mit den Hanauer Opfern und verwenden dennoch dabei den Begriff „Fremdenfeindlichkeit“. Im Gespräch mit anderen rassifizierten Personen bestätigen mir viele, dass auch sie nach dem Attentat Trauer, Angst, Enttäuschung, Wut, Unsicherheit, Fremdheit und Einsamkeit durchlebten. In letzter Zeit wird vermehrt der Satz deutlich kritisiert, der infolge von rassistischen oder antisemitischen Attentaten fällt: „Es war ein Angriff auf uns alle.“ Es sei gerade kein Angriff auf alle, sondern auf die betroffene Gruppe. Auf die Frage, ob man sich als rassifizierte Person nach Hanau weniger sicher in Deutschland fühle, reagieren die von mir gefragten Personen, die sich derartig identifizieren, allesamt mit „Ja“. Die deutliche Mehrheit derjenigen, die sich nicht zu dieser Gruppe zählen, reagieren hingegen mit „Nein“. Immerhin kommen an dem Freitagabend circa 1.000 Menschen, also rund 1 Prozent der Bevölkerung Kölns, zusammen, um ein sogenanntes „Zeichen gegen rechts“ zu setzen. Als kurz darauf die Karnevalszüge für den Sonntag abgesagt werden, hoffe ich unentwegt, dass die Geschehnisse in Hanau dazu Anlass gegeben haben. Später lese ich, dass Grund für den Ausfall ein Sturmtief war. Das Attentat in Hanau jährt sich zum zweiten Mal. Anders als im letzten Jahr, wird in diesem Jahr Karneval, zumindest in Köln, stattfinden. Für von Rassismus betroffene Menschen bedeutet das Zusammenfallen von beiden Ereignissen ein Aufreißen alter Narben. Tabasom Djourabi-Asadabadi, Köln
Lasst Leonard Peltier endlich frei!
Liebe taz, ich möchte Sie sehr darum bitten, wieder über den indianischen Menschenrechtsaktivisten Leonard Peltier im US-Bundesgefängnis in Coleman, Florida, zu berichten! Gerade jetzt, wo er lebenslang unschuldig in Haft, im hohen Alter auch noch an Covid erkrankt ist. Als langjährige Abonnentin kenne ich aus den 80er, 90er Jahren ja bis 2000 ausführliche taz-Artikel zu Peltier. Warum schweigt die taz jetzt?
Christiane Brelowski, Braunschweig
46 Jahre Gefängnis – ohne Gnade
Der 77-jährige Leonard Peltier (Anishinaabe Dakota), ein Aktivist des American Indian Movement (AIM), ist seit dem 6. 2. 1976 inhaftiert. „Leonard Peltier sitzt seit 46 Jahren. Doch wen kümmert’s?“ So hätte eine neue Überschrift der taz in der vergangenen Woche lauten können. Eine fast gleichlautenden Headline fand sich am 19. 2. 2014 über dem letzten Artikel zu dem indigenen Langzeitgefangenen in der taz. Die letzte Meldung in der taz (über Peltiers Nichtbegnadigung durch Barack Obama) ist mittlerweile auch schon 5 Jahre alt. Unterschriftenaktionen für Peltiers Freiheit von der Gesellschaft für bedrohte Völker, Amnesty International, unserem Verein und Gruppen in den USA wurden in den letzten Jahren von Zehntausenden Menschen unterzeichnet. Und selbst an Prozessen und Berufungsverhandlungen beteiligte Richter und Staatsanwälte, die in den 70er Jahren noch an den Verfahren gegen Peltier beteiligt waren, räumen längst ein, dass es für die Schuld und Verurteilung tatsächlich keinerlei Beweise gäbe. Die Unterzeile zu Ilija Trojanows Artikel „Vernichtung statt Strafe“ von 2014 lautete: „Der Aktivist Leonard Peltier sitzt seit 38 Jahren. Doch wen kümmert’s?“ 8 Jahre später können wir nur mit Empörung und Unverständnis feststellen – auch die taz nicht mehr. Sie trägt längst dazu bei, politische Gefangene medial lebendig zu begraben. Michael Koch, Seligenstadt. Tokata RheinMain e. V., Verein zur Unterstützung indigener Sozial-, Kultur-, Umwelt- und Menschenrechtsprojekte & Leonard Peltier Support Group/Germany
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