Totale Kontrolle

Maja P. überlebte den Angriff ihres Ehemannes nur knapp. Jetzt konnte sie vor Gericht gegen ihn aussagen

Von Katharina Schipkowski

Wenn es um Femizid geht, kann das Opfer häufig nicht mehr aussagen. Maja P. (Name geändert) überlebte den Angriff ihres Ehemanns. Am Freitag sagte sie vor dem Hamburger Landgericht aus, wo Thomas P. sich seit Ende November verantworten muss. Seit Juni sitzt er in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Mord und schwere Verletzungen der Persönlichkeitsrechte in 57 Fällen vor.

Bei der Schilderungen des Tathergangs unterscheiden sich die Aussagen des Täters und der Geschädigten nur in Details. Als Thomas P. an einem Sonntag im Mai seine letzten Sachen aus der ehemals gemeinsamen Wohnung abholen wollte, warf er Maja P. aufs Bett und würgte sie bis zur Bewusstlosigkeit. In akuter Lebensgefahr und mit zahlreichen Verletzungen kam sie ins Krankenhaus. Er hatte selbst den Rettungsdienst verständigt und stellte sich der Polizei, die weggeworfene Kabelbinder im Gebüsch fand – vermutlich das Tatwerkzeug.

Zuvor hatte er Maja P. über Monate hinweg heimlich durch das Schlüsselloch gefilmt, während sie duschte oder auf Toilette ging, und dabei auf ihren Genitalbereich gezoomt. Das heimliche Filmen hatte der Angeklagte bereits eingeräumt. Die Geschädigte wusste davon offenbar nichts. Dass er ein Foto von ihr in Unterwäsche gemacht hatte, während sie schlief, war ihr jedoch bewusst. Mehrfach habe der Angeklagte vor und nach der Trennung gedroht, das Foto an ihren Chef zu schicken.

Maja P. sagte im Gericht mehrere Stunden lang mit tränenerstickter Stimme aus. Ihr Ehemann verfolgte die Schilderung sehr angespannt und bat mehrmals um Unterbrechungen. Maja P. berichtete von jahrelangem Psychoterror und einem starken Kontrollzwang, den ihr Mann auf sie ausübte. Zuletzt habe er sie 40 bis 60 Mal pro Tag auf der Arbeit angerufen, um zu fragen, wo sie sei und was sie mache. Vor Terminen habe sie sich bei ihm abmelden müssen, auch habe er ihr nicht erlaubt, sich zu schminken oder hohe Schuhe zu tragen.

In den ersten Jahren ihrer Beziehung sei alles harmonisch gewesen, sagt Maja P. Sie war ihm 2002 aus Polen nach Deutschland gefolgt, konnte zunächst die Sprache nicht, hatte kaum Kontakte. Je selbstständiger und selbstbewusster sie wurde, desto eifersüchtiger und kontrollierender sei er geworden. Als sie kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung stand, hatte sie einen Stalker. Er schickte ihr anonyme Briefe und hinterließ Nachrichten an ihrem Auto.

In der Zeit konnte ihr Mann als Beschützer auftreten. Sie habe damals niemanden verdächtigt, die Polizei konnte niemanden ermitteln. Seit sie auf der Arbeit eine Leitungsfunktion übernommen habe, sei es besonders schlimm geworden, sagt Maja P. Mehrmals täglich habe er, der als Logistiker in einem Lager arbeitet, ihr vorgeworfen, sie sei etwas Besseres, wisse und könne alles ohne ihn. Sie habe versucht, ihn zu einer Therapie zu drängen, doch er habe die Behandlung abgebrochen.

Am Tag der Tat sei der Angeklagte auffällig ruhig und gefasst gewesen. Sie habe ihm nochmal gesagt, dass die Beziehung endgültig vorbei sei. Dann kam es zu dem beinahe tödlichen Angriff. Das Urteil wird Ende Februar erwartet.