Frankreichs linke Kandidatin: Christiane Taubira, die Provokante
Sie soll Frankreichs Linke vereinen, aber bislang spaltet sie auch. Ex-Justizministerin Christiane Taubira hat Feinde im rechten und im linken Lager.
Diese fehlten dann jedoch dem Sozialisten Lionel Jospin, um gegen Jacques Chirac in die Stichwahl zu kommen. Denn der Rechtsaußen Jean-Marie Le Pen hatte ein paar Tausend Stimmen mehr als Jospin bekommen. Seither wird Taubira innerhalb der Linken für diese historische Schmach verantwortlich gemacht.
Auch sonst war sie immer wieder Zielscheibe von Attacken. Eine Abgeordnete des rechtsextremen Front National hat die kleine Frau aus dem fernen Überseegebiet am Rand des Amazonas auf Facebook sogar als Äffin karikiert und als „Wilde“ bezeichnet. Andere finden es schon ungehörig, dass eine Politikerin, die 1992 zusammen mit ihrem damaligen Mann die Bewegung Walwari für die Unabhängigkeit Guyanas gegründet hatte, nun das höchste Amt der französischen Republik anstrebt.
Als Abgeordnete hatte sie ein Gesetz vorangetrieben, das seit 2001 Sklaverei und Menschenhandel als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einstuft, bekannt als „loi Taubira“.
Taubira hat viele Feinde, nicht nur im rechten Lager
Am meisten verhasst aber ist sie bei den katholischen Fundamentalisten, weil sie als Justizministerin unter Präsident François Hollande ungeachtet aller Demonstrationen und verbalen Angriffe von rechts im Parlament die Vorlage zur Legalisierung der „Ehe für alle“ verteidigt hatte. Meistens stand sie politisch den Sozialisten nahe, doch 2016 trat sie aus Protest gegen Hollandes Notstandsgesetze (nach der Attentatswelle von 2015) als Ministerin zurück.
Mit ihrem Engagement hat sich Taubira also viele Feinde gemacht, nicht nur im rechten Lager. Vielleicht ist sie gerade deshalb dazu geeignet, den Widerstand zu führen in einer Zeit, in der die identitäre Rechte sich durch Wahlumfragen beflügelt fühlt und die Linke zu resignieren beginnt. Das zumindest ist die Meinung der Teilnehmer*innen der Primaire populaire, die sie am Sonntag als Präsidentschaftskandidatin nominiert haben.
Taubira kommt aus Cayenne, sie wird diesen Mittwoch 70 Jahre alt. Sie hat in Paris Soziologie, Ökonomie und afroamerikanische Ethnologie studiert und lehrte zunächst als Wirtschaftsprofessorin. Vor allem aber blickt sie auf lange politische Erfahrung in Guayana und in der französischen Hauptstadt zurück.
Von ihren Auftritten als Ministerin und ihren Wahlkampagnen erinnert man sich an eine sehr schlagfertige Rednerin, die ihre Argumente mit literarischen Zitaten und poetischen Exkursen zu schmücken weiß. Heute soll sie die Rolle des kleinsten gemeinsamen Nenners einer gespaltenen französischen Linken übernehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!