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Helmut Höge KolumneWirtschaftsweisenDragoner-Geländegewinne und -verluste

Um das Dragoner-Areal bekümmern sie viele. Vor allen anderen die BIM: die Berliner Immobilienmanagement GmbH. Sie ist als Immobiliendienstleister für das Land Berlin für über 5.000 landeseigene Immobilien verantwortlich. Das fast fünf Hektar große Dragoner-Areal hinter dem Kreuzberger Finanzamt ist damit ein Modellprojekt zwischen BIM-Planungswollen und Bürgerwillen. Letzterer hat ehrgeizige Ziele: Laut der Initiativgruppe kleinod-vor-dem-umbruch.de soll die Planung „transparent und inklusiv“ sein und das neue Quartier „zukunftsweisend in vielen Belangen“, etwa „solidarisch, nachhaltig, kulturell, der Geschichte verpflichtet“; es solle „als eine Art Labor neue, flexible Wege des Lebens, Wohnens und Arbeiten aufzeigen“.

Das wie eine Burg gebaute Finanzamtsgebäude beherbergte einst berittene Infanteristen, sie erschossen in der Novemberrevolution 1918/19 sieben „Parlamentäre“ der Besetzer des sozialdemokratischen Vorwärts-Gebäudes. Hinter ihrer „Dragoner-Kaserne“ befanden sich Trainingsgelände und Reitställe. In diesen alten Backsteingebäuden siedelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg Kleingewerbe an, unter anderem für Autozubehör und -reparatur. „Als 2010 das Gelände verkauft werden soll, formierten sich als Reaktion darauf verschiedene Initiativen. Deren Engagement führte schließlich dazu, dass das Dragoner-Areal heute dem Land Berlin gehört“, heißt es auf der Seite der Initiative.

Neben und zwischen dem Kleingewerbe siedelten sich auch viele Spatzen an. Sie werden von Spatzenrettern „betreut“, die das Gesetz auf ihrer Seite haben – und dort alle Gebäudebrüter kartierten. Nun müssen sie um das Leben der Spatzen auf dem Dragoner-Areal kämpfen – und zwar gegen die BIM. Denn auf dem Gewerbegelände, vor dessen Einfahrt sich ein äußerst beliebter „Vegetarischer Döner“ niedergelassen hat, haben sich auch Krähen und Ratten angesiedelt. Die Krähen, die wie die Spatzen auch zu den EU-weit geschützten Singvögeln zählen, interessierten die BIM-Manager erst einmal nicht, wohl aber die Ratten, die sie mit Gift auszurotten beabsichtigten.

Das Gewerbe auf dem Dragoner-Areal ist bereits erheblich ausgedünnt, auch coronabedingt war dort im Jahr 2021 wenig los. So kam es, dass die Spatzen sich auf das Rattenfutter stürzten. Dieses war jedoch hochgiftig. Auf diese Weise wurde die Population der Spatzen ausgedünnt – indem sie den übervorsichtigen Ratten gewissermaßen als Vorkoster dienten. Denn das Gift befindet sich in „Köderboxen mit Gifttüten“. Letztere werden von den Ratten rausgezerrt und zerfleddert.

Das rief die Spatzenschützerinnen auf den Plan. Mit Fotos, Protokollen und Strafanzeigen drangen sie auf die BIM ein, das Vernichten der Spatzen mit Rattengift sein zu lassen. Die BIM legte quasi nach und ließ noch mehr Giftköder auf dem Dragoner-Areal auslegen – vom „Verein zur Förderung ökologischer Schädlingsbekämpfung e. V. in Frechen bei Köln“. Das konnte den Spatzenschützerinnen jedoch nur ein bitteres Lachen entlocken.

Die Aktivistinnen wandten sich an alle verantwortlichen Ämter. Aus dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hieß es, Köderblöcke seien „nicht so effektiv“ wie Köderbeutel. Trotzdem werde die Schädlingsbekämpfungsfirma „sämtliche Köderboxen mit Köderblöcken versehen lassen“ – sodass die Ratten sie nicht mehr rauszerren können.

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