Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Der diplomatische Jojo-Effekt

Foto: Roberta Sant‘anna

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta-Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-­Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

Also, ich mach mir Sorgen um Deutschland!“, sagt ein Herr zum anderen auf der Bank vor der Apostelkirche.

„Ja, ja, Corona, schlimmer geht’s immer!“

„Nee, wegen unserer neuen Außenministerin.“

„Ist das nicht ’ne Studierte? Glaub, sogar Fachrichtung!“

„Aber wie sie die Uschi von der Leyen behandelt haben inner Türkei, die hat nicht mal einen Stuhl gekriegt beim Erdoğan!“

„Obwohl sie ’ne Vielfachmutter ist!“

„Das hat da eigentlich noch Wert auf dem Bosporus!“

„Und jetzt guck dir mal die zuckrig-zierliche ­Bearbock an, ’n Frauchen eher. Uschi hat immerhin Reife und Schneid, selbst die wird abgesägt bei den richtig harten Jungs.“

„Meine Enkelin sagt, Baerbock habe noch ein paar Ideale!“

„Damit kommt man in der Weltpolitik nicht weit, genauso wenig wie mit ’nem Lächeln und ’ner hübschen Figur, Diplomatie braucht harten Pragmatismus, moralische Kompromisse!“

„Mutti hatte das drauf, und die war ja auch kein Mann.“

„Da hat aber nicht die Figur abgelenkt!“

„Heiko Maas war auch ’n Süßer, sagt meine Schwester!“

„Aber wenn alle Männer sind, gibt’s keine erotische Ablenkung, und deshalb wär’das besser, wir kehren zu alten Verhältnissen zurück!“

„Baerbock sollte nicht so schicke Kleider und Lippenstift tragen, sonst kriegen die Despoten heiße Ohren, und ’ne Frau, von der man heiße Ohren kriegt, kann man nicht ernst nehmen, da kann man als Mann gar nicht gegen an!“

„Ja, das ist unsere Natur, wir müssen die Süßen beschützen wegen der Aufzucht unserer Nachkommen.“

„Bei Baerbock macht das jetzt der Mann, noch so ’ne Sache, wenn du mich fragst!“

„Mutti hatte schlichtweg keine Kinder.“

„Deutschland war ihr Kind, richtig so.“

„Meinst du, das hatte sie geplant mit ohne Kinder wegen Karriere?“

„Weiß man nicht, nee, vielleicht wollte sie auch einfach keine, meine Enkelin sagt, das sei heute so, dass manche Frau das nicht will, so wie früher die ewig lustigen Junggesellen!“

„Hatte Genscher eigentlich Kinder?“

„Weiß nich’, gab noch kein Google. Aber der hatte immer diesen gelben Pullover an!“

„Stimmt, das war Dauerthema, und da sag’noch mal einer, bei uns Männern geht’s nie um das Äußere!“

„Kohl wurde als Birne degradiert!“

„Joschka Fischer und sein Jojo-Effekt wurde dauerkommentiert!“

„Mal fett, mal schlank, mal fett, mal schlank, da stimmte doch was anner psychischen Verfassung nicht!“

„Noch so’n Grüner, der kämpfen musste, um ernst genommen zu werden, wie die Baerbock!“

„Und die ist wenigstens hübsch.“

„Joschka hatte aber Schlag bei Frauen!“

„Klar, als Außenminister, und während der Amtszeit war der eher schlank.“

„Sigmar Gabriel ist dünn geworden!“

„Ganz schön viel Körperkram los da bei den Männern mit Macht!“

„Putin hat auch so ein aufgepumptes Gesicht wie Berlusconi mittlerweile!“

„Hatte Mutti nicht nötig, die stand zu ihren Hängewangen!“

„Die hatte Format!“

„Vielleicht is’es egal, ob Mann oder Frau, vielleicht zählt unterm Strich doch was ganz anderes.“

„Du, das hab ich neulich auch schon mal kurz gedacht!“