Frauenquote in den Niederlanden: Breitenwirkung statt Kosmetik
Ein Gesetz fordert eine neue Frauenquote in Aufsichtsräten großer Unternehmen. Doch das hat nur Symbolkraft.
Gute Nachrichten für die Chancengleichheit“, verkündete die damalige niederländische Emanzipationsministerin Ingrid van Engelshoven im September 2021. Soeben hatte der Senat ihrem Gesetzesentwurf zugestimmt, der mehr Frauen Zugang zur Managementebene verschaffen soll. Zum 1. Januar 2022 trat das Gesetz nun in Kraft.
Konkret besteht es aus zwei Teilen: zum einen aus selbstgesetzten Zielgrößen, zu denen Großunternehmen mit 40 Millionen Euro Umsatz oder mindestens 250 Angestellten künftig verpflichtet sind. Ziel: ein ausgeglicheres Geschlechterverhältnis in Spitzenpositionen. Börsennotierte Betriebe müssen zudem in ihren Aufsichtsräten eine Frauenquote von einem Drittel realisieren, und jeden ausscheidenden Mann durch eine Frau ersetzen, bis diese Quote erreicht ist. 2020 lag sie bei zwölf Prozent – es wird ein langer Weg.
So sehr eine aktive Arbeitsmarktpolitik für mehr Gleichberechtigung zu begrüßen ist, ist eine solche Quote für die privatwirtschaftlichen Führungsebenen doch nur einer von zahlreichen Schritten. Ihre unbestrittene Symbolkraft ist freilich bitter nötig, wenn man etwa bedenkt, dass die Wochenarbeitszeit von Frauen nirgendwo in der EU mit 25,5 Stunden so niedrig ist wie in den Niederlanden. Im EU-Schnitt lag sie bei 2020 bei 34,1 Stunden. Zugleich arbeiten in keinem anderen EU-Land so viele der beschäftigten Frauen in Teilzeit, nämlich drei Viertel.
Letzteres an sich ist noch kein Problem. Doch besagt eine andere Statistik, dass niederländische Frauen täglich rund doppelt so viele unbezahlte Arbeitsstunden leisten wie die Männer, und bis zu den „Beinahe-Gratis-Plänen“ der neuen Regierung war Kinderbetreuung so kostspielig, dass zahlreiche Frauen zu Hause blieben.
All dies zeigt: affirmative action auf Managementebene ist nicht viel mehr als Kosmetik, wenn sie nicht von breitenwirksamen Maßnahmen begleitet wird. Oder wie es die Amsterdamer Stadträtin Daniëlle de Jager in der Tageszeitung Het Parool auf den Punkt brachte: “Teilzeitkultur ist etwas, auf das man stolz sein kann – wenn die Männer mitmachen.“
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