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Nach der HochwasserkatastropheDas Flut-Licht im Ahrtal

Ein halbes Jahr nach der Flut kämpfen die Betroffenen noch immer mit den Folgen – und helfen sich gegenseitig.

Elfriede und Gerd Gasper in ihrem entkernten Haus in Altenahr. Die Flut ließ nicht viel davon übrig Foto: Boris Roessler/dpa

D as Ahrtal. Mehr als fünf Monate ist die Nacht jetzt her, in der die Ahr über die Ufer, Wiesen und Straßen trat. Von vielen Hauswänden wurde der Verputz abgenommen, damit die Häuser trocknen können. Sie sehen aus wie Häuser ohne Haut. Doch darin ist immer wieder Licht. Man sieht Menschen, die in Küchen hantieren. Immer noch riecht das Wasser beim Duschen nach dem hinzugefügten Chlor. Die Flut ist fort. Doch sie ist nicht vorbei.

Es ist wie bei einem Trauerfall. Wenn zur Beerdigung viele Menschen zusammenkommen, gibt es viele Worte, viel Beileid. Und dann sind alle fort. Es bleibt denen, die zurückbleiben, die Aufgabe, etwas zu bewältigen. Jetzt heißt es „alleine weitermachen“. Im Ahrtal haben nicht wenige Menschen alles verloren. Ihre Angehörigen und das Haus.

Meine gute Freundin und ich wollen zur Ahr laufen. Wir wollen sehen, was mit dem großen Brückenpfeiler passiert ist, der in der Flutnacht einfach eingeknickt ist. Auf dem Weg dorthin treffen wir am Zaun einen Mann, dem wir kurz nach der Flut im Garten geholfen haben. Er sortiert Ziegel und zeigt zum Haus nebenan. Es ist eigentlich ganz neu, doch es muss abgerissen werden. Denn es ist in sogenannter Leichtbauweise erbaut, die Außenwände sind vollgesogen mit Wasser. Wie ein Schwamm.

Es beginnt zu tröpfeln. Der Nachbar erzählt, wie sie die Ziegel vom Nachbarhaus geholt haben. „Wir durften sie vom Dach nehmen, bevor das Haus abgerissen wird. Bis drei Uhr morgens am zweiten Weihnachtsfeiertag haben wir gearbeitet. Ein großes Flutlicht hat geleuchtet“, sagt er. „Flut-Licht“ denke ich, wie passend. Eine Flut aus Licht, die etwas möglich macht. Ziegel sind teuer. Die vom Haus sind noch fast neu. Jetzt können sie wiederverwertet werden. „Alle haben mitgemacht“, sagt der Mann. Selbst die Kinder haben geholfen und eine Kette gebildet mit den Ziegeln. Das Helfen ist nötig geblieben. Nicht nur, weil jede Hand einen Unterschied macht. Auch deswegen, weil es wichtig ist, mit all dem Verlorenen nicht allein zu sein.

„Wir sind hier alle zu Bauherren geworden. Ob wir das wollten oder nicht“, sagt der Mann. Der Regen wird stärker. Tropfen laufen ihm über den Kopf. Er reagiert nicht darauf, so als wäre er eine Statue, an der alles abperlt. Warum zieht er die Kapuze von seinem Pullover nicht hoch, denke ich, er erkältet sich doch.

Der Nachbar erzählt jetzt von den Handwerkern aus Oldenburg, die damals direkt nach der Flut gekommen sind. Sie haben den weiten Weg auf sich genommen, um zu helfen. Jetzt waren sie wieder da, ohne Bezahlung. Sie haben ihren Urlaub dafür genommen. Endlich zieht der Mann die Kapuze über.

Vor Kurzem lief im Fernsehen eine Dokumentation über die Flutnacht. In einer Szene steht eine Frau auf ihrer Terrasse. Sie filmt mit ihrem Handy das Wasser, das immer höher steigt. „Ich bereue jetzt, dass ich noch die Sachen hochgestellt habe und nicht in die Weinberge gegangen bin“, sagt sie da. Jetzt ist das Wasser zu hoch, sie ist gefangen auf der Terrasse. Viele Menschen sind hoch zu den Weinreben geflüchtet, um sich in Sicherheit zu bringen. Es hat etwas Großes, fast Biblisches. Wie die Flut kam und die Menschen in die Weinberge liefen. Die Frau auf der Terrasse hat überlebt. Ihr Haus kann sie nicht mehr bewohnen.

Ich schaue zu dem Mann und den Ziegeln. Ein Haus wird für ein anderes abgedeckt, bevor es fallen wird. Die Hilfe hier ist weniger geworden. Aber es gibt sie.

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Christa Pfafferott
Autorin
Christa Pfafferott schreibt die Kolumne "Zwischen Menschen" für die taz. Sie wurde zum Dr. phil. in art. an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg promoviert. Sie hat zuvor Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert und die Henri-Nannen-Journalistenschule absolviert. Sie lebt als Autorin und Regisseurin in Hamburg.
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