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Wichtig, spürbar und unerfreulich

Städtische Kita-Vereinigung legt ihren Jahresbericht vor: 20 Millionen Euro Einsparung ab 2005. Den Anspruch auf gute Betreuung will der größte Träger Hamburgs dennoch nicht aufgeben und übt dezente Kritik an Wohlfahrtsverbänden

von Kaija Kutter

Mit öffentlicher Kritik hielten sich Martin Schaedel und Hedi Colberg-Schrader, die Geschäftsführer der „Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten“, in den vergangenen Monaten auffallend zurück. Kein Wunder: Ihr direkter Vorgesetzter im Aufsichtsrat ist Sozialbehördenstaatsrat Klaus Meister. Doch in ihrem „Jahresbericht 2004/2005“ legen die beiden nun offen, dass der mit 173 Häusern größte Kita-Träger der Stadt zugleich auch am stärksten von den Etatkürzungen betroffen ist.

„Wichtig und unerfreulich“ sei, so schreibt das Geschäftsführer-Duo im Vorwort, dass die Kitas zum Jahreswechsel eine „spürbare Kürzung erfahren haben“. Rund 20 Millionen Euro, das sind elf bis zwölf Prozent der Ressourcen des gemeinnützigen Unternehmens mit 175 Millionen Euro Umsatz, müssen seit dem 1. Januar 2005 eingespart werden. Davon allein sieben Millionen Euro bei der Zahl der ErzieherInnen, vier Millionen bei den Kita-Leitungen, eine Million bei Personal und Sachmitteln der Zentrale sowie sechs Millionen Euro bei den Hausarbeiterinnen für Küche und Reinigung, die nun deutlich weniger verdienen.

Doch damit nicht genug. Weil die Behörde eine Pauschale für Personalkosten beschloss, die „aus Sicht der Stadt“ ein „sinnvoller Schritt“ sei, drohen der Vereinigung bis 2009 in vier Jahresschritten „zusätzliche Einnahmeverluste in Millionenhöhe“. Diese müssten über neue Tarife aufgefangen werden.

Die Monate vom Frühsommer bis Winter 2004, in denen die Stadt mit den Kita-Verbänden um die Etats für 2005 und 2006 pokerte, „haben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel abverlangt“, schreiben Schaedel und Colberg-Schrader. Sei es doch nicht einfach, für einen verlässlichen Kita-Betrieb und Geborgenheit zu sorgen, „während monatelang um die Höhe von Kürzungen gerungen und die Personaldecke immer dünner wird und manche um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen“.

Dabei üben die beiden Kritik an der Verhandlungsführung der Sozialbehörde. War doch die Vereinigung bei der Vereinbarung des entscheidenden Eckpunktepapiers am 8. Dezember vorigen Jahres (taz berichtete) nicht zugegen. Deshalb sei in dem Papier mit „Verhandlungsgegenständen“, an denen die Wohlfahrtsverbände starkes Interesse haben, „schonungsvoll“ umgegangen worden, während die Anliegen der Vereinigung „unter die Räder“ gekommen seien. So gibt es für die vierstündige Elementarbetreuung, die eine „klassische Domäne kirchlicher Träger“ sei, sogar vier Prozent mehr Erzieherstunden, während die „Zusatzmittel für Kitas in sozialen Brennpunkten“ gestrichen wurden. Allerdings erkennt auch die Vereinigung an, dass die Wohlfahrtsverbände hier in letzter Sekunde die Verordnung noch schlechterer Standards für alle Kitas verhinderten.

Insgesamt errechnet die Vereinigung für alle Angebote von der Krippe bis zum Schulkinderhort eine Absenkung des Personalschlüssels um elf Prozent. Dem Mangel soll nun mit dem Aufspüren „weiterer Qualitätsreserven“ und „zeitsparender Organisationsform“ begegnet werden. So könnten zum Beispiel gut gestaltete Räume die „Eigenaktivitäten der Kinder“ fördern.

Als „fragwürdig“ bezeichnen Schaedel und Colberg-Schrader „politische Kampagnen“ wie das Plakat einer Elterninitiative, bei dem ein an einen Ring gebundener Strick symbolisierte, man müsse die Kinder in der Kita anbinden. Dies schüre „kurzfristig Empörung“, würde aber „langfristig“ dem „Standing“ der Kita-Betreuung schaden.

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