piwik no script img

Jasmin Ramadan Einfach gesagtZoff in Eimsbüttel

Roberta Sant‘anna

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. In der taz verdichtet sie im Zwei-­Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

Guck mal, da vorn in der Schlange steht der Obdachlo…, äh, Mann ohne festen Wohnsitz von vor unserem Edeka, ist ja toll, dass der sich auch impfen lässt!“, sagt der Mann in der Booster-Schlange zu seiner Frau.

„Warum sollte er sich nicht impfen lassen!?“, fragt sie.

„Na, der ist doch stets an der frischen Luft und quasi immer im Homeoffice, man könnte mit Recht neidisch werden!“

„Was sind Sie denn für ein Arschloch?!“, ruft eine Frau vor ihnen, dreht sich um und haut sich auf die Stirn.

„Wieso bin ich jetzt schon wieder das Arschloch? Ist doch wahr!“

Die Frau sagt: „Geben Sie denen einfach was von ihrer Knete, anstatt hier großkotzig ­rumzuspinnen!“

„Ich geb’allen was, die nett bleiben, bei immenser Freundlichkeit erhöhe ich stetig, und deshalb hab ich von dem da vorn zuletzt sogar eine Weihnachtskarte gekriegt, aufklappbar!“

„Jetzt sei bloß ruhig, Benedikt, darüber sollte man nicht reden, das klingt immer verwerflich!“

„Worüber sollte man nicht reden?“, fragt ein Mann.

„Na, wie man da verfährt, wem man was gibt und warum, das klingt immer anmaßend.“

„Warum?“, fragt eine Frau, „die Leute machen auch nur ihren Job, und wenn sie ihn gut machen, verdienen sie eben mehr Kohle als die Konkurrenz!“

„Das ist doch kein Job, da wird ja nicht mal was verkauft, außer hier und da diese Zeitung!“

„Natürlich! Sie verkaufen uns das gute Gewissen, das ist eine ganze Menge!“

„Gewissen hin oder her, ich geb’nur denen was, die gepflegt aussehen und sich nicht völlig geh’n lassen!“, sagt eine Frau.

„Ich nur älteren Frauen!“, ruft ein junger Typ.

„Ich nur denen, die davon keine Drogen kaufen!“, ruft ein Mann.

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Und was geht Sie das eigentlich an? Weiß Ihr Arbeitgeber, wofür sie Ihre Moneten zum Fenster rausschmeißen?!“

„Jemand, der auf der Straße lebt, hat wenigstens keinen Scheiß-Chef!“

„Oder den Anti-Christ als Vermieter!“

„Niemals demütigende Vorstellungsgespräche!“

„Ist es nicht demütigend, jeden Tag zu betteln?“

„Das ist wenigstens aufrichtig und keine Tätigkeit, die anderen oder der Gesellschaft schadet, so wie mein Job!“

„Was machen Sie?“

„Ich bin Versicherungsmaklerin und rede Leuten ständig ein, dass ihnen was zustoßen könnte, damit sie ihr Geld rausrücken!“

„Dann machen Sie doch was anderes, um Gottes Willen!“

„Ich bin viel zu bequem, da bräuchte ich erst einen Coach oder Guru, der mir für viel Geld einen Arschtritt verpasst!“

„In den Achtzigern gab es diesen Film, ‚Zoff in Beverly Hills‘, da spielt Nick Nolte einen Penner, dem sein Hund wegläuft, und bei der Suche stürzt er in den Pool einer Villa und …“

„Dann bumst er Bette Midler!“

„Das auch, aber er erleuchtet die ganze stinkreiche Familie, erlöst sie von ihrer Oberflächlichkeit und so, und ich glaub, vom Ding her, da ist was dran!“

„Was für ein ideelles Nonsens-Fantasma, das Leben war noch nie Hollywood.“

„Für einen Hollywoodfilm war der allerdings brillant!“

„Haben die da eigentlich schon was über ­Corona gedreht?“

„Wer will das sehen?“

„Nee, echt nicht, zu viel Realität!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen