„Hoffnung auf das nächste Frühjahr“

Ehe sie schon wieder entsorgt werden: Historiker Stefan Zimmermann über Weihnachtsbäume

Foto: FLMK

Stefan Zimmermann

42, beschäftigt sich als Direktor des Freilichtmuseums am Kiekeberg (Kreis Harburg) auch mit weihnachtlichem Brauchtum.

Interview Darijana Hahn

taz: Herr Zimmermann, seit wann stellen sich Menschen einen Weihnachtsbaum in die Wohnung – und warum?

Stefan Zimmermann: Der Tannenbaum gehört zu den immergrünen Pflanzen, die sich die Menschen zur Wintersonnenwende schon immer gerne ins Heim geholt haben, weil sie die Hoffnung auf das nächste Frühjahr verkörpern. Bereits der Lorbeerkranz der alten Römer kündet von dieser Bedeutung.

Er hat also zunächst gar nichts mit dem christlichen Weihnachtsfest zu tun?

Nein, genau. Der Weihnachtsbaum ist so ein Fall, wo sich heidnisches und christliches Brauchtum zu vermischen beginnt.

Wann war das denn ungefähr der Fall?

Der Tannenbaum als Brauchtum beginnt grob gesprochen mit der Reformation. Die Katholiken hatten, um es salopp zu sagen, die Krippe. Wie sehr die Katholiken noch Vorbehalte gegenüber dem heidnischen Element des Weihnachtsbaumes haben, zeigt, dass auf dem Petersplatz in Rom erst 1982 ein Weihnachtsbaum aufgestellt wurde.

Die Geschichte des Weihnachtsbaumes beginnt ja lange davor. Gibt es eine Kirche, in der er zuerst gesichtet wurde?

Das ist mir nicht bekannt. Ich denke, dass der Weihnachtsbaum in der Kirche erst Ende des 19. Jahrhunderts auftauchte. Und in katholischen Kirchen erst nach 1945.

Und wann wurde der geschmückte Baum ein Symbol für Weihnachten?

Es ist vor allem das 19. Jahrhundert, in dem der Weihnachtsbaum sich so verbreitete, dass er zu einem Symbol für das Weihnachtsfest werden konnte. Da wurden die ersten Plantagen angelegt, und der Wohlstand und das Selbstbewusstsein der Bürger machten aus dem zunächst religiös geprägten Fest ein familiär betontes, in dem die Dekoration immer wichtiger wurde.

Seit wann wurde denn der Tannenbaum geschmückt – und hat sich das geändert?

Ausgediente Weihnachtsbäume sammelt ab heute die Stadtreinigung Hamburg ein. Genaue Termine online auf www.stadtreinigung.hamburg. Bremer*innen finden straßengenaue Abholtermine im „Abfallkalender“ der dortigen Stadtreinigung (www.die-bremer-stadtreinigung.de)

Von Beginn an hängte man an den Tannenbaum Verzierungen in Form von Nüssen und Äpfeln. Mit der Christbaumschmuckproduktion ab dem 19. Jahrhundert wurden auch immer Trends verarbeitet – vom Bild des Kaisers im Ersten Weltkrieg bis hin zu Kugeln im Design des geliebten Fußballvereins.

Wie lange dient denn der Tannenbaum als Weihnachtsbaum?

Meist steht der Weihnachtsbaum bis zum Dreikönigstag in den Wohnzimmern, also bis zum 6. Januar. In sehr katholischen Gegenden auch bis zu Maria Lichtmeß, am 2. Februar. Wann der Tannenbaum ins Haus geholt wird, das hat sich vor allem während Corona sehr stark verändert: So hab’ich mit einem Tannenbaumanbauer gesprochen, der erzählt hat, dass er seinen Hauptumsatz bereits am 1. Advent gemacht habe.

Wie erklären Sie sich diese Vorverlegung?

Man möchte einfach in diesen unsicheren Zeit ein Stück Tradition feiern und sich länger an dem Baum erfreuen können. Früher, als ich Kind war, wurde er immer erst am Tag des Heiligen Abends geschmückt.