meinungsstark:
Schieflage
„Ein Urteil, das erleichtert“, taz vom 29. 12. 21
„Behinderte Menschen müssen in der Pandemie besser vor einer Benachteiligung durch Ärzt:innen geschützt werden.“ Wie bitte? Die Bedrohung ist also nicht die Katastrophe selbst, sondern Ärzt:innen als potenzielle Täter:innen?
Man könnte durchaus von einer latenten Diskriminierung einer Berufsgruppe sprechen, für die eine Triage selbst ein schweres Psychotrauma darstellen würde. Eine Berufsgruppe, die zusammen mit den Pflegekräften durch die Ökonomisierung des Gesundheitswesens (Streichung von Stellen und Intensivbetten) am meisten für diese Gesellschaft unter Druck steht. Sind solche juristischen und journalistischen Weltbilder von Leuten, die selbst auf ihrem warmen Homeoffice-Bürostuhl sitzen, wirklich zukunftsweisend? Irgendwie ist da etwas schräg. Roger Kühn und Leonnie von Lips, Speyer
Achtsamkeit und Resilienz
„Good Vibes Only“, taz vom 29. 12. 21
Achtsamkeit hat, so wie ich es verstehe, nichts mit Glück zu tun. Wer sich immer wieder einen Moment Zeit nimmt, aus dem Tunnel aus Stress und Erwartungen herauszutreten und sich und seine Umwelt wahrnimmt, so wie sie gerade ist, wird dadurch erst mal kein glücklicher Mensch. Dafür aber jemand, der sich selbst – und damit auch seine Grenzen – besser kennenlernt. Die damit verbundene Resilienz kann bei guten Arbeitsbedingungen durchaus dazu führen, dass jemand leistungsstärker wird.
Resilienz heißt aber für mich genauso, als Gorillas-Rider wahrzunehmen, dass die geforderte Leistung nicht mit dem übereinstimmt, was man bereit ist zu geben. Und so kann Achtsamkeit durchaus den Impuls, aber auch die Kraft für Proteste geben. (Und nein: Impfgegnerproteste sind hier nicht gemeint:))
Für mich ist Achtsamkeit nie nur nach innen, sondern immer in gleichem Maße auch nach draußen gerichtet, man selber – verbunden mit der Welt. Und das kann eine gute Voraussetzung sein, in den schwierigen Zeiten, die auf uns zukommen, mündige und aktive BürgerInnen zu werden.
Susa Weinbach, Köln
Hyperintellektualität fehl am Platz
„Agenda statt Authentizität“, taz vom 25. 12. 21
Frauen erhalten nicht gleiche Rechte und gesellschaftliche Anerkennung, auch nicht in Form des gleichen Lohns für gleiche Arbeit, auch dann nicht, wenn man als Wichtigstes den Genderstern, den Gender-Doppelpunkt oder ähnliche sprachliche Unsinnigkeiten in den Mittelpunkt stellt.
Die Kolumne von Frau Dr. Dudlay ist aber noch mehr als die Steigerung dieses Unsinns. Was sie an Alice Schwarzer kritisiert, ist so verwurschtelt geschrieben, dass man keinerlei sachlichen Inhalt erkennen kann. Lediglich Profilierungssucht auf Kosten einer anderen wird sichtbar.
Die taz sollte ihre Seiten den wirklich wichtigen Problemen unseres Lebens widmen und darauf achten, dass Positionen und Meinungen verständlich dargelegt werden. Das betrifft auch ein so kompliziertes Thema wie die Transsexualität. Besser noch: Gerade in so einem Fall ist Hyperintellektualität fehl am Platz, ebenso das Verschießen von Giftpfeilen, was eher auf eine neurotische Verspannung der Gedankenwelt schließen lässt als auf eine themenverbundene Debatte.
Stefan Pfüller, Berlin
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