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Wenn sich das Warten wirklich gelohnt hat

Berlin-­Wedding

85.275 Einwohner.

Ein ehemaliger Arbeiterbezirk, Ortsteil des Bezirks Mitte. Heute ist hier auch die kreative Kunstszene zu Hause – und Menschen unterschiedlichster Kulturen.

Die Kälte beißt sich durch meine Kleidung. Ich bin froh, dass ich in letzter Sekunde noch ein drittes Paar Socken angezogen habe. Wer weiß, was für Eiszapfen sich sonst an meinen Zehen bilden würden.

Die Tür, vor der ich in Berlin-Wedding stehe, ist nicht verschlossen. Ich gehe trotzdem nicht rein, denn das Treppenhaus ist voll mit Menschen, die vor mir gekommen sind und ihrerseits auf den Booster warten. Angesichts steigender Infektionszahlen und des grassierenden Omikrons komme ich mir vernünftig vor, dass ich als erste draußen Schlange stehe. Auch, wenn es bedeutet, dass ich eine halbe Stunde bibbern muss. Als die Praxistür endlich geöffnet wird, schaffe ich es, im Wartezimmer einen Sitzplatz zu bekommen. Ich schlage mein Buch auf und lese – eine Stunde lang.

Irgendwann wird meine Nummer aufgerufen und der Arzt grüßt mich mit einer wunderbaren guten Laune, wie ich es sonst noch nie in einer Arztpraxis erlebt habe. Wir quatschen über Impfreaktionen, das Studium seiner Tochter und meinen Job. Es wird mir warm ums Herz.

Als ich die Praxis hinter mir lasse, ist die Sonne bereits weg. Dafür habe ich einen neuen Lieblingshausarzt und ein breites Grinsen im Gesicht. Shoko Bethke