: Verschiebung der Mitte
Wenn das große Stück Fleisch als Zentralmassiv des Weihnachtsessens einmal weggelassen wird, springen Kürbis und Blumenkohl als neue Hingucker ein
Von Lisa Shoemaker
Diese Weihnachten werden minimalistisch: Papa, Mama, Kind. In den 30 Jahren, in denen es uns in dieser Koalition gibt, ist das noch nie vorgekommen. In den vergangenen Jahren stellte sich die Herausforderung, verschiedene Ernährungsphilosophien unter einem Tannenbaum zu versammeln. Die fällt in diesem Jahr eigentlich weg, denn wir drei sind Allesfresser. Da wir aber gerade die Thanksgiving-Pute hinter uns haben, lautet die Parole dieses Jahr: vegan.
Damit steht die nächste Herausforderung gleich im Raum: Denn wenn das große Stück Fleisch eines weihnachtlichen Festmahls wegfällt, möchte ich trotzdem einen Hingucker auf den Tisch bringen. Und damit rückt Gemüse in den Mittelpunkt, dem zuvor in der Regel eher eine Rolle als Beilage beschieden ist. Es findet sozusagen eine Verschiebung des Zentrums statt.
Nur welche Kandidaten kommen in Frage? Ich entscheide mich für einen mit Reis gefüllten Kürbis. Für den Reis zerlasse ich Butter (ich weiß, das ist nicht vegan) oder Kokosfett in einem Topf, aromatisiere das Fett für 1 bis 2 Minuten mit einer Zimtstange und ein paar Kardamomkapseln (ca. 1 pro 50 g Reis), dann gebe ich den Reis hinein. Nach 2 bis 3 Minuten die anderthalbfache Menge Wasser hinzugeben. Dazu kommen Berberitzen und grüne Pistazien – und Safran, wenn vorhanden. Als Ersatz machen auch Mandelblättchen und getrocknete Sauerkirschen eine gute Figur, die Letzteren gibt es im Bioladen. Korinthen ähneln äußerlich zwar Berberitzen, sind aber nur süß. Berberitzen sind auch sauer, was gut in den Reis passt.
Der Kürbis kommt zunächst im Ganzen bei 180 Grad in den Ofen. Wenn er etwa halbgar ist, nehme ich ihn heraus, schneide den Deckel ab und entferne die Kerne. Dann mit dem Reis füllen, Deckel aufsetzen, im Ofen fertig garen. Wer in Versuchung gerät, das Ganze mit Käse zu toppen, sollte den Reis lieber europäisch-mediterran würzen: anbraten mit Zwiebeln, würzen mit Pimentón de la Vera.
Ein weiterer Hingucker ist Blumenkohl. Im Ganzen! Um zu verhindern, dass er im Ofen verkohlt und dabei innen roh bleibt, blanchiert ihn am besten zuvor für etwa 5 bis 8 Minuten. Dazu Wasser mit Salz zum Kochen bringen, den Kohl darin versenken. Anschließend herausfischen. Großzügig mit einer Marinade beträufeln: Eine israelische Freundin rührt sich eine aus Sojasauce, Olivenöl und Senf. Je nach Größe und wie weich bzw. knackig man ihn mag, so 12–20 Minuten bei 200 Grad in den Ofen schieben. Dazu gibt es eine Sauce aus Tahin, Zitronensaft und Wasser, die mit Salz, Pfeffer, aber auch nach Geschmack mit Knoblauch, spanischem Rauchpaprika oder Kreuzkümmel gewürzt wird.
Am kompletten Blumenkohl und am gefüllten Kürbis kann man schneiden wie an einem Braten – das ist jeder Weihnachtstafel angemessen. Doch auch kleinere Formen machen etwas her. Im arabischen Raum kennt man gefüllte Karotten, die Füllung besteht traditionell aus Reis und Lammhack. Vegane Füllungen funktionieren auch, nur müssen sie kräftig gewürzt sein, damit sie nicht langweilig schmecken.
Dazu eignen sich getrocknete Kräuter wie Minze und Basilikum sowie Gewürze wie Zimt, Piment, Kreuzkümmel oder Koriander. In diesem Fall werden Reis und Wasser zu gleichen Teilen in den Topf gegeben (auf eine Tasse Reis kommt also eine Tasse Wasser), dann hat er nach dem Kochen noch Biss. Die Füllung darf schon fast überwürzt schmecken, denn im Ofen mildert sich der Geschmack.
Am besten eignen sich richtig dicke Karotten (mindestens 4 cm), die nicht aufgeplatzt sind und sich nicht zu sehr verjüngen. Die Karotten, geschält oder ungeschält, in ca. 6 bis 10 cm lange Stücke schneiden. Dann werden sie halbgar gekocht, damit man sie gut mit dem Apfelentkerner aushöhlen kann. Mit dem Würzreis gefüllt, werden die Karotten dicht an dicht in eine Auflaufform gelegt. Eine Marinade aus etwas Olivenöl, viel Granatapfelsirup (alternativ Tamarindenpaste), Tomatenmark, Salz, Pfeffer und, wer mag, Chili-Flocken anrühren. Das Volumen mit Wasser verdoppeln. Dann die Marinade über die Karotten gießen, bis sie mindestens zur halben Höhe bedeckt sind. 20 bis 30 Minuten oder bis zum gewünschten Garpunkt in den Ofen schieben (180 Grad). Die Säure des Granatapfelsirups harmoniert wunderbar mit der Süße der Karotte. Zum Servieren mit Granatapfelkernen und gehacktem Koriander bestreuen.
Sollten in diesem Jahr zu Weihnachten spontan Freunde auftauchen, denen das zu gemüselastig ist, dann kann an der Peripherie des Festmahls noch nachgearbeitet werden. Denn der Reis mit Zimt, Kardamom und Berberitzen passt hervorragend als Füllung in ein Huhn.
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