großraumdisco
: Keramik aus Estland in Altona

Neben einem knapp drei Meter großen Tannenbaum steht ein Weihnachtsmarktstand mit der Aufschrift „Handmade Ceramics“. Die Innenwände des Standes sind rot, über den Köpfen hängen Lichterketten in Form von Glühbirnen. Auf der Vorderseite des Standes baumeln kleine Tassen und Krüge herunter, gemeinsam bilden sie eine Gardine aus Keramik. Hinter der Gardine steht die Inhaberin des Ladens, Marina Tubaleva. Mit ihrem langen, roten Mantel und ihrer rot-weißen Weihnachtsmütze sieht sie aus wie ein weiblicher Nikolaus.

Der Weihnachtsmarkt in Hamburg-Altona, auf dem sich Marinas Keramikstand befindet, ist gut besucht. Allerdings halten sich die meisten Be­su­che­r:in­nen bei den Glühweinständen auf. Am Stand von Marina kommen nur vereinzelt Menschen vorbei, häufig fragen Be­su­che­r:in­nen direkt nach dem Preis und laufen dann weiter, die Lippen zu einer nonverbalen Entschuldigung zusammengepresst.

Doch Marina lässt sich davon nicht die Laune verderben. „Diese haben wir für Hamburg entworfen“, sagt sie fröhlich und zeigt auf Tassen, auf denen Möwen mit blauen Mützen abgebildet sind. Daneben steht die Aufschrift „Moin moin“ geschrieben.

Das Gespräch verläuft auf Englisch, denn Marina kommt aus Estland und ist der deutschen Sprache nicht mächtig. Die Namen aller Tiere auf ihren Keramiktassen habe sie aber auswendig gelernt, verkündet sie stolz. Immerhin sind es über siebzig Tiere, die auf dem Keramikgeschirr abgebildet sind. Welches Tier am schwierigsten auszusprechen ist? „Das Eichhörnchen.“

Die Straße, auf der der Keramikladen steht, ist eine gewöhnliche Einkaufsstraße. Da der Weihnachtsmarkt nicht eingezäunt oder von der Straße abgetrennt ist, tragen viele Menschen, die vorbeilaufen, keine Maske. Die Maskenpflicht gilt aber beim Besuch am Stand. Was tut Marina, wenn sich jemand ohne Maske nähert?

„Das kommt nicht wirklich vor“, erklärt sie und zeigt auf zwei Hinweisschilder, die auf dem Ladentisch liegen. „Am Stand gilt Maskenpflicht“, steht darauf geschrieben. „Die meisten Menschen lesen diese Hinweisschilder und kommen daher mit Maske an“, sagt Marina. „Wenn nicht, werden sie von der Polizei kontrolliert.“

In der Tat laufen kurz darauf zwei unmaskierte ältere Polizisten am Stand vorbei. Etwas später kommt ein Pärchen, auch sie tragen keine Maske. Der Mann schaut sich eine Butterdose mit einem Katzenmotiv an und holt sich Rat von seiner Begleitung. Marina erklärt, wie einfach der Holzdeckel zu reinigen sei. Die beiden nehmen die Butterdose mit, Marina lächelt ihnen zufrieden hinterher.

Ob sie Angst hat, dass der Weihnachtsmarkt wie in anderen Städten auch geschlossen werden könnte? „Darüber denken wir nicht nach“, sagt Marina und zeigt mit den Händen auf Nachbarstände. Solange der Weihnachtsmarkt auf hat, möchte sie in Hamburg bleiben, freut sich über ihre Stammkundschaft – und über vorbeiziehende Kinder, die sie aufgrund ihres Outfits für den Nikolaus halten. Shoko Bethke