piwik no script img

lmd-edition no. 30Vor dem Virus sind nicht alle gleich

Während sich in Afrika die Omikron-Variante in einer noch kaum geimpften Bevölklerung rasant ausbreitet, scheint in den deutschen Nachrichten die Coronapandemie von Woche zu Woche immer mehr auf die Größe einer nationalen Herausforderung zu schrumpfen („Bayern-Profi Kimmich lässt sich impfen“, Tagesschau vom 12. Dezember).

Dabei müsste, nachdem die noch ansteckendere Virusvariante zuerst in Südafrika entdeckt worden ist, genau das Gegenteil passieren. Gerade Deutschland könnte bei der weltweiten Bekämpfung dieser potenziell tödlichen Infektionskrankheit eine Vorreiterrolle spielen, wenn es zum Beispiel endlich der WTO-Ausnahmeregelung zustimmen würde, die Patente auf die Covid-19-Impfstoffe vorübergehend freizugeben. Der gerade zum Gesundheitsminister ernannte Mediziner Karl Lauterbach hatte sich Mitte September noch klar dafür ausgesprochen – weil Gesundheit ein Menschenrecht ist und keine Ware sein sollte, mit der man möglichst viel Profit macht.

Weltgesundheit als Ware

Der Zusammenhang zwischen globalem Kapitalismus und medizinischem Fortschritt – die im Fall von Covid-19 ungewöhnlich schnelle Impfstoffentwicklung ist unbestritten eine herausragende Leistung – ist auch das Thema der neuen Edition von Le Monde diplomatique „Ware Weltgesundheit. Vom Tuberkulinrausch zum Impfprivileg“.

In einem historischen Bogen vom 18. Jahrhundert bis heute wird gezeigt, dass Medizingeschichte immer auch Sozialgeschichte ist. So beschreibt unter anderem Steven Shapin, wie im Kampf gegen die Pocken Kinder aus den Londoner Slums als Versuchskaninchen missbraucht wurden, Ulrike Moser entlarvt den gefeierten Bakteriologen Robert Koch als schnöden Spekulanten, der mit seinem zweifelhaften Tuberkulin ein weltweites Monopol errichten wollte, Thomas Frank schildert, wie der US-Ärztebund in den 1920er Jahren die erste Initiative für eine Demokratisierung des Gesundheitswesens verhindert hat, oder Isabelle Delforge erinnert an die Geflügelpest in Thailand, wo die Regierung, statt die Bevölkerung zu schützen, 2003 eine PR-Kampagne für den Konsum von Hühnerfleisch startete. Dorothee D’Aprile

Viele weitere Berichte, Reportagen und Analysen sowie zahlreiche neue Infografiken von Adolf Buitenhuis finden Sie in der neuen LMd-Edition No. 30 „Ware Weltgesundheit“, 117 Seiten, broschiert, 9,50 Euro.

monde-diplomatique.de/edition-lmd

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen