Bürotürme verdrängen Kulturkollektiv

Eine weitere alternative Kulturstätte steht vor dem Aus: Dem „Zukunft“ am Ostkreuz wurde vom Eigentümer gekündigt. Eigentlich müssten die Betreiber im März 2022 ausziehen. An­woh­ne­rIn­nen und Po­li­ti­ke­r setzen sich in Friedrichshain für die Zukunft des „Zukunft“ ein

Eine Petition für das „Zukunft“ haben fast 10.000 Unterstützer unterzeichnet

Von Andreas Hartmann

Die Uhr tickt und die Zeit läuft davon für das Kulturzentrum Zukunft am Ostkreuz in Friedrichshain. Im August dieses Jahres haben die Betreiber der Örtlichkeit, das Kollektiv um die Kinokneipe Tilsiter Lichtspiele, bekannt gegeben, dass ihr Mietvertrag seitens des Eigentümers nicht verlängert werde. Ende März nächsten Jahres soll das Zukunft am Ostkreuz demnach Geschichte sein.

Seitdem ist einiges passiert und die Empörung darüber, dass ein weiterer alternativer Kulturort in Friedrichshain samt Kino, Galerie und kleinem Jazzclub verschwinden soll, ist groß. Allein: Die Deadline für diesen besteht, Stand heute, unverändert. Politiker und Politikerinnen haben das Gespräch mit dem Eigentümer gesucht. Florian Schmidt, Baustadtrat für Friedrichshain-Kreuzberg, spricht sich genauso für den Erhalt des Ortes aus wie Berlins Kultursenator Klaus Lederer. Eine Petition, die eine Zukunft für das „Zukunft“ einfordert, wurde gestartet – inzwischen haben diese fast 10.000 Unterstützer unterzeichnet. Mitte November gab es eine Demo gegen die Nichtverlängerung des Mietvertrags. Außerdem wurde in einer Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, den Bebauungsplan für das Areal qualifizieren zu lassen. Was auch immer der Eigentümer vorhat mit seinem Grundstück, er müsste es nach diesem Beschluss auch weiterhin einer kulturellen Nutzung zur Verfügung stellen. Die Stoßrichtung ist klar: Es soll signalisiert werden, dass hier keine wilden Investorenträume verwirklicht werden dürfen, sondern dass auch eine Neubebauung etwas mit Kultur zu tun haben müsste. Und – Achtung: Wink mit dem Zaunpfahl! – Kultur gibt es mit dem Zukunft am Ostkreuz ja bereits.

Aber vom Eigentümer höre man trotzdem nicht mehr viel, so Manuel Godhardt vom Betreiberkollektiv des Zukunft am Ostkreuz. Der habe sich immerhin bereit erklärt, die bisherigen Nutzer auch „in den potenziellen Neubau auf dem Gelände einziehen zu lassen“. Doch wann es den geben und zu welchen Konditionen der angeboten wird, das weiß gerade niemand zu sagen. Abgesehen davon werde ein Neubau, da ist sich Godhardt sicher, nicht mehr viel mit dem derzeitigen Charme des „Zukunft“ gemein haben. Dieses ist schließlich auch deswegen so beliebt im Kiez, weil hier alles so schön unfertig und selfmade aussieht, wie eine Zeitkapsel, in der ein Berlin-in-den-Neunzigern-Flair bewahrt wurde. Von dem wird bei einer Neubebauung mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit nicht viel übrig bleiben. Um das anzunehmen, reicht nur ein Blick auf die Bauprojekte in der unmittelbaren Nachbarschaft des Kulturzentrums.

Gleich ums Eck will der Kölner Investor Pandion seinen riesigen „Ostkreuzcampus“ hochziehen und links und rechts direkt an das „Zukunft“ angrenzend plant der Berliner Projektentwickler Trockland zwei Immobilienwürfel in futuristischem Design, die „A Laska“ getauft wurden. Braucht Friedrichshain tatsächlich so viele Büros im Hochpreissegment? Anscheinend schon.

Auf der Computersimulation, die Trockland für „A Laska“ erstellt hat, befindet sich übrigens bereits zwischen den Bürotürmen kein „Zukunft“ mehr, sondern man sieht nur ein paar nichtssagende Gebäude und vor allem sehr viele Bäume. Als sei das Gelände als eine Art Garten für die Büronutzer in spe zu betrachten. Und man wird zwar informiert, dass sich die von Trockland geplanten Gebäude ganz in der Nähe der Clubs Wilde Renate und About Blank befinden werden, aber das „Zukunft“ wird mit keinem Wort erwähnt.

Julian Schwarze von den Grünen, der den Antrag zur Qualifizierung des „Zukunft“-Geländes in die BVV von Friedrichshain-Kreuzberg eingebracht hat, sagt, man wisse einfach nicht, was der Eigentümer mit diesem genau vorhabe. Denkbar sei vieles. Auch, dass er bereits an Trockland verkauft habe oder noch verkaufen werde, obwohl er versicherte, sein Grundstück selbst neu entwickeln zu wollen.

Schwarze sagt: „Die Forderung bleibt, dass der Eigentümer sich umentscheiden und das Mietverhältnis mit dem 'Zukunft’ am Ostkreuz fortsetzen soll.“

Die Demo im November habe zudem gezeigt, „wie sehr der Kiez hinter dem Kulturzentrum steht.“ Der Grünen-Politiker klingt kämpferisch, ein Stück weit aber auch resigniert: „Die Gespräche mit dem Eigentümer gehen weiter, aber der Prozess stagniert auch ein bisschen.“ Wirkliche Hoffnung auf ein Happy End in seinem Sinne vermag man aus seinen Worten nur schwer heraushören.

Und jetzt behindert auch noch Corona die Fortführung des Kampfes für das Kulturzentrum. Für den morgigen Freitag wollte das „Zukunft“ eigentlich zu einem großen Aktionstag in seine Räumlichkeiten laden. Geplant waren Lesungen, Konzerte und Diskussionsrunden mit Vertretern der Berliner Kultur und Politik. Es hätte ein – Greta möge dieses Wortspiel verzeihen! – echter „Friday for Future“ werden sollen. Doch nun gab das „Zukunft“ kurzfristig via Facebook bekannt, dass man angesichts der vierten Welle umdisponieren muss. Schließlich wolle man, dass an so einem Aktionstag der Laden möglichst rappelvoll werden solle, was mit dem aktuellen Infektionsgeschehen nicht vereinbar sein. Aber, so das Versprechen: „Neuer Termin kommt bald!“