Dringende Appelle von höchster Stelle

Der Bundespräsident bittet die Bevölkerung um Kontaktreduzierung. Wis­sen­schaft­le­r:in­nen fordern härtere Maßnahmen

Von Gereon Asmuth

Am Sonntag hat sich Bundespräsident Frank Walter Steinmeier ans Volk gewendet. Nicht per Fernsehansprache, aber immerhin in einem Gastkommentar für die Bild am Sonntag. Manchmal stimmt die alte Erkenntnis, dass schon in der Wahl des Mediums eine Botschaft steckt. Und die könnte kaum dringlicher sein.

„Wichtig ist“, schrieb Steinmeier in dem sonntäglichen Massenblatt, „dass wir jetzt alle gemeinsam handeln.“ Der Bundespräsident rief die Bevölkerung auf, durch eine freiwilliger Reduktion der Kontakte einen Lockdown zu verhindern. „Tun wir es, damit Schulen und Kitas nicht wieder schließen, damit wir das öffentliche Leben nicht wieder vollständig herunterfahren müssen.“

Bereits am Samstag hatte die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina vorgeschlagen, mehrwöchige Kontaktsperren auch für Geimpfte zu verhängen. „Unmittelbar wirksam ist es aus medizinischer und epidemiologischer Sicht, die Kontakte von Beginn der kommenden Woche an für wenige Wochen deutlich zu reduzieren“, verlangen die Wissenschaftler:innen, zu denen auch der Berliner Virologe Christian Drosten gehört. „Aufgrund der nachlassenden Immunität müssten diese Maßnahmen vorübergehend auch für Geimpfte und Genesene gelten, die in dieser Zeit eine Auffrischungsimpfung erhalten müssen.“ Zudem schlug die Leopoldina eine rasch eingeführte berufsbezogene Impfpflicht für Ärzte, Pflegekräfte und medizinische Fachberufe vor.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach von einem Warn- und Weckruf, natürlich nicht für sein Bundesland, sondern „an Berlin“. „Wir sollten die Hinweise der Leopoldina sehr ernst nehmen und rasch beraten“, sagte Söder und forderte schnellstmöglich eine weitere Ministerpräsidentenkonferenz. Derzeit ist sie erst für den 9. Dezember geplant.

Auch die amtierende Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat die Politik aufgefordert, die Empfehlungen der Leopoldina sofort umzusetzen.

Der geschäftsführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte an, eine Impfpflicht für Kliniken und Heime noch vor Weihnachten umzusetzen. Doch trotz extremer Infektionslage halten das nicht alle für eine gute Idee. So spricht sich Verdi-Chef Frank Werneke gegen eine Impfpflicht in Pflege- und Gesundheitsberufen aus, weil die Impfquote in diesen Gruppen ohnehin hoch sei.

Wahrscheinlich wäre die Quote noch höher, wenn alle Willigen auch eine Impfung bekämen. Vor vielen Impfzentren haben sich am Wochenende wieder lange Schlangen gebildet. Teils vollkommen vergeblich. In Hamburg standen am Samstag Hunderte an – bis die Polizei ihnen mitteilte, dass das dortige Impfzentrum erst am Montag öffne. Die Hamburger Sozialbehörde hatte zuvor falsche Impfzeiten veröffentlicht.