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Streit über rechten Szeneladen

JUSTIZ Wann muss NPD-Chef Schmidtke sein Geschäft „Hexogen“ in Schöneweide schließen? Darüber verhandelt jetzt das Landgericht

Der Anwalt des Vermieters kann sich eine verlängerte Räumungsfrist vorstellen

Sebastian Schmidtke scheint es die Sprache verschlagen zu haben. Nur ein Satz kommt dem Berliner NPD-Vorsitzenden während der 20 Minuten über die Lippen, in denen im Berliner Landgericht über die Zukunft seines Ladens in der Köpenicker Brückenstraße verhandelt wird. Die sieht nicht rosig aus. Schmidtke droht, „alles zu verlieren, was er sich aufgebaut hat“, wie es sein Anwalt Carsten Schrank formuliert.

Was war geschehen? Am 30. April 2011 hatte der NPD-Chef beim Hausverwalter Real Estate einen Vertrag über die Anmietung des 77 Quadratmeter großen „Einzelhandels für Textilien und Gebrauchswaren“ unterzeichnet. Innerhalb weniger Wochen nach Eröffnung des „Hexogen“ – so hieß auch ein im Zweiten Weltkrieg verwendeter giftiger Sprengstoff – erfuhr der Hauseigentümer Ascania/Sàrl von „dritter Seite“ von den wahren Ambitionen seines neuen Mieters. Er forderte ihn auf, eine so genannte Nachtragsvereinbarung zu unterzeichnen. Darin sollte sich Schmidtke verpflichten, keine Gegenstände mit rechtsextremem oder antisemitischem Anstrich zu verkaufen. Ende Juni 2011 antwortete der Ladeninhaber, er werde diese Vereinbarung nicht unterzeichnen, da er den Vertrieb solcher Produkte nicht beabsichtige.

Der Eigentümer hatte verstanden: Er schickte Schmidtke im Juli 2011, also zehn Monate bevor das LKA im „Hexogen“ anlässlich einer Durchsuchung Hunderte von volksverhetzenden „Schulhof-CDs“ (taz berichtete) fand, eine fristlose Kündigung. Als der dennoch nicht auszog, verklagte ihn der Vermieter beim Landgericht auf fristlose Räumung: Der Vertrag werde angefochten, weil er auf arglistiger Täuschung beruhe, so die Argumentation von Ascania/Sàrl. Außerdem, so schob man letzte Woche nach, sei der Ladeninhaber seit über einem Monat mit der Miete im Rückstand, die er ohnehin nie pünktlich gezahlt habe.

Am Montag nun traf man sich im Zivilgericht am Tegeler Weg zu einem „Gütetermin“. Mehrfach regte die Richterin eine „pragmatische Lösung“ an, die sich jedoch nicht finden ließ. Nun liegt die Entscheidung beim Gericht. Schmidtke jedenfalls möchte eine Galgenfrist bis zum Ende des Jahres und stellt sich eine Zahlung von 5.000 Euro vor. Schließlich habe er annehmen dürfen, fünf Jahre lang bleiben zu können, und Regalsysteme sowie einen Tresen eingebaut. Außerdem habe er 3.000 Euro für „die Schaufenster“ ausgegeben. Welche Baumaßnahmen er daran konkret durchgeführt hat, verrät der NPD-Chef nicht – geradezu einsilbig wirkt der stämmige Brillenträger neben seinem Anwalt, einem der besten Juristen, der bereit ist, sich vor Gerichten für Neonazis einzusetzen.

Sven Richwin, der Anwalt des Vermieters, kann sich zwar eine „verlängerte Räumungsfrist“ vorstellen, aber „keinen goldenen Handschlag“. Am 23. Juli fällt die Entscheidung in diesem Rechtsstreit. UTA EISENHARDT

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