Mehr als nur Händeschütteln

Die Partnerschaft zwischen Kreuzberg und Stettin feiert ihren 25. Geburtstag. Inzwischen hat eine neue Generation das Sagen

Platz der Solidarität in Stettin – und der Ort, an dem Frauen regelmäßig gegen Abtreibungsverbote demonstrieren Foto: Eastnews/imago

Von Uwe Rada

Eine waschechte Stettinerin ist Dorota Kot nicht. Die 35-Jährige ist in einer Kleinstadt in der Nähe von Zielona Góra/Grünberg geboren, ging in Eisenhüttenstadt und Neuzelle auf ein deutsch-polnisches Gymnasium und lebt sei 13 Jahren in Berlin.

Dennoch gerät Kot ins Schwärmen, wenn sie von Stettin spricht. Ihre Begeisterung kann sie inzwischen auch in zahlreichen Projekten umsetzen. Seit 2019 ist Kot die Vorsitzende des Vereins Städtepartnerschaft Stettin.

Am Donnerstag feiert der Verein das 25-jährige Bestehen einer ungewöhnlichen Partnerschaft. 1996 hatte Kreuzberg eine Partnerschaft mit dem polnischen Stettin ins Leben gerufen. Weniger den Austausch von Delegationen hatten die Gründerinnen und Gründer im Sinn, sondern den Wunsch, neue Kontakte zu knüpfen und sich im Alltag kennenzulernen.

Eine Städtepartnerschaft von unten also. „Und eine, die nach wie vor lebt“, betont Dorota Kot. Dass sie den Vorsitz des Vereins übernommen hat, sei auch ein Beispiel dafür, dass der Generationenwechsel gelungen ist.

Viele Gemeinsamkeiten

Stettin und Kreuzberg haben viele Gemeinsamkeiten: Die Gründerzeitbebauung, die auf den Stadtbaurat James Hobrecht zurückgeht, der in beiden Städten gewirkt hat, das liberale Klima, das sich in Stettin durch zahlreiche Frauendemonstrationen und einen Frauenstreik gegen das Abtreibungsverbot zeigt, der enge Austausch vor allem von Schriftstellerinnen und Schriftstellern.

Stettin ist die Berlin am nächsten gelegene Großstadt. Doch das ist es nicht, was die Partnerschaft in den Vordergrund stellen möchte. „Es sind die Begegnungen mit den Menschen, die für uns das A und O sind“, sagt Dorota Kot.

25 Jahre Partnerschaft zwischen Friedrichshain-Kreuzberg und Stettin sollen auch gefeiert werden: Zum Geburtstag lädt der Verein Städtepartner deshalb für Donnerstag zu Diskussion und Buchpräsentation ein. Die Vereinsvorsitzende Dorota Kot wird die Veranstaltung eröffnen und dann mit Stadtrat Knut Mildner-Spindler, Gründungsmitglied Folker Schmidt sowie Monika Dyker, Vorsitzender der Progressum Association, auf dem Podium sitzen. Außerdem gibt’s einen Katalog zum 25-jährigen Bestehen der Partnerstadt. Die Veranstaltung wird ab 19 Uhr gestreamt auf www.staedtepartner-stettin.org/.

Zu diesen Begegnungen gehören Stadtführungen rund um die Stettiner Straße im Wedding, eine Stadtralley in Stettin, Fotoausstellungen oder Exkursionen. Dabei müssen die Partner in Friedrichshain-Kreuzberg und in Stettin immer wieder institutionelle Hürden nehmen. „Wir haben bis heute in der Stadtverwaltung keinen offiziellen Ansprechpartner“, sagt Dorota Kot.

Und während der Städtepartner-Verein 7.800 Euro jährlich vom Bezirk bekommt, sind die Projektpartner in Stettin auf Unterstützung angewiesen. „Es sind vor allem NGOs, mit denen wir zusammenarbeiten“, sagt Dorota Kot.

Eine von ihnen ist der Siedlungsrat von Turzyn, einem Gründerzeitstadtteil westlich der Innenstadt. Dort und in den anderen Innenstadtquartieren in der dicht bevölkerten Oderstadt sind es vor allem die begrünten Hinterhöfe, die mit Hilfe der Städtepartnerschaft ins Leben gerufen wurden. „Stettiner Hinterhöfe. Szczecinskie Podwórka“ hieß das Projekt vor zwanzig Jahren, jetzt hat es den Namen „Green Local. Learning Exchange“. Dabei konnte zunächst Stettin von Berlin lernen. Inzwischen gibt es für das Hofgrün auch in der Partnerstadt eine Förderung.

Die grünen Themen zählt Dorota Kot zu ihren „Lieblingsprojekten“. „Wir promoten das Projekt mit digitalen Maßnahmen: Werbespot, Social Media“, sagt Kot und verweist darauf, dass in den vergangenen beiden Jahren auch der Internetauftritt des Partnerschaftsvereins neu gestaltet wurde. Hinzu kommen Auftritte bei Instagram und ein eigener Youtube-Kanal.

Es sind Projekte wie „Green Local“, die in den offiziellen Städtepartnerschaften des Landes eher keine Rolle spielen. Auf dieses „Alleinstellungsmerkmal“, wie sie es nennt, ist Dorota Kot stolz. „Uns geht es nicht ums Händeschütteln, sondern um den Erfahrungsaustausch der Zivilgesellschaft.“

Ein frischer, junger Blick

Ziel war, neue Kontakte zu knüpfen und sich im Alltag kennenzulernen

Und auch dieser Austausch wird immer jünger. Zwar räumt Kot ein, dass die literarischen Brücken zwischen Berlin und Stettin von eher älteren Autorinnen und Autoren gebaut wurden. „Es gibt aber auch eine junge Generation in Stettin, die mit Begeisterung auf Berlin schaut, da gibt es überhaupt nicht mehr diese Vorurteile, die es noch vor einigen Jahren gegeben hat“, hat sie beobachtet. „Das ist eine ganz neue Art der Begeisterung.“

Und auch der Blick auf Stettin ist ein anderer geworden. „Gerade erst war ich mit meinem Freund da, der war zum ersten Mal in Stettin, und er fand die Stadt faszinierend.“

Es ist nicht überraschend, wenn Dorota Kot zum Jubiläum ankündigt, sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen zu wollen. „In uns steckt viel Energie und unsere Köpfe stecken voller Ideen, wie wir die beiden Städte noch näher zusammenbringen können“, sagt sie.

Für die Jubiläumsveranstaltung am Donnerstag lädt sie deshalb ein „zum Austausch von Ideen und zur gemeinsamen Entwicklung neuer Projekte und Visionen“.