Buhrufe für Südafrikas Freiheitsbringer

Südafrikas Regierungspartei ANC unter Präsident Cyril Ramaphosa steht vor entscheidenden Kommunalwahlen am 1. November mit dem Rücken zur Wand

„Unsere Führer lassen sich nur blicken, wenn sie unsere Stimmen brauchen“

Sicelo Ndaba in Soweto

Aus Johannesburg und Soweto Savious Kwinika
und Tintswalo Baloyi

Wenn in Südafrika der Präsident öffentlich ausgebuht wird, geht seine Zeit zu Ende. Das erlebte Jacob Zuma in den Jahren, bevor der regierende ANC (African National Congress) ihn auf Druck der Öffentlichkeit im Jahr 2018 nach neun Jahren an der Macht aus dem Amt warf – und wenn die jüngsten Ereignisse nicht täuschen, brechen jetzt auch für seinen Nachfolger Cyril Ramaphosa bewegte Zeiten an. Bei den kommenden Kommunalwahlen am 1. November steht der ANC als Afrikas älteste Befreiungsbewegung unter beispiellosem Druck.

Am vergangenen Donnerstag musste Ramaphosa einen Wahlkampfauftritt im Township Soweto bei Johannesburg absagen, nachdem das Publikum die auftretenden ANC-Politiker aus Wut über Stromausfälle und schlechte öffentliche Dienstleistungen ausbuhte. Der Präsident müsse sich um wichtigere Dinge kümmern, hieß es offiziell; aber dass er nicht einmal dort auftreten konnte, wo er 1952 geboren wurde, sagt alles. Natasha Mazzone, Fraktionsvorsitzende der oppositionellen DA (Democratic Alliance), stellte fest: „Der ANC-Wahlkampf ist in weiten Teilen Südafrikas unerwünscht, so wie Ramaphosa in Soweto.“

Soweto zählt 1,9 Millionen Einwohner und viel Armut, die in der Covid-19-Pandemie stark zugenommen hat. Im Juli wurden hier viele Geschäfte geplündert, als Unruhen mit über 300 Toten Südafrika erschütterten – mutmaßlich provoziert durch Anhänger von Ramaphosas Vorgänger Zuma.

Schon Mitte September wurde Ramaphosa in Soweto ausgebuht, als er im Stadtteil Naledi auftrat und zur Wählerregistrierung aufrief – ebenso in Kathlehong östlich von Johannesburg, als er dort Ende September ein Covid-19-Impfzen­trum eröffnete. „Unsere Führer lassen sich nur blicken, wenn sie unsere Stimmen brauchen“, schimpfte Anwohner Sicelo Ndaba. „Danach verschwinden sie wieder und wir können weiter leiden. In Wahlkämpfen wird so viel versprochen, und so wenig wird getan.“

Als Ramaphosa Präsident wurde, sollte er mit der gigantischen Korruption der Zuma-Ära aufräumen, die unter dem Begriff „State Capture“ in die Geschichte eingegangen ist. Aber im Rahmen der Pandemie ist neue Korruption in Ramaphosas Umfeld aufgetreten – bei Exgesundheitsminister Zweli Mkhize und Präsidentensprecherin Khusela Diko beispielsweise. Die Pandemie hat Südafrika außerdem in die schwerste Wirtschaftskrise des Jahrhunderts gestürzt.

Die Vorbereitung des ANC auf die Kommunalwahlen lässt zu wünschen übrig. Die Partei versäumte es in 94 Gemeinde, Kandidaten aufzustellen. Als die Wahlkommission die nötige Frist um einen Monat auf 21. September verlängerte, geriet sie ihrerseits in die Kritik. Manche ANC-Angestellten haben zudem seit Monaten kein Gehalt mehr bekommen. Ramaphosas Aufruf an die Bürger Südafrikas bei einer feierlichen Rede im April wendet sich nun gegen ihn selbst: „Die Gemeinden sollten ihre Stimme nutzen, um diejenigen abzustrafen, die ihre Versprechen nicht halten.“

Schon die letzten Kommunalwahlen 2016 waren für den ANC ein Debakel, er verlor die Kontrolle wichtiger Städte. So fiel Südafrikas größte Stadt Johannesburg an die rechtsoppositionelle DA in Koalition mit der linksoppositionellen EFF (Econoic Freedorm Fighters), obwohl der ANC die größte Partei war. Johannesburgs DA-Bürgermeister Herman Mashaba hat seine Partei seitdem verlassen und seine eigene Partei Action SA (Aktion Südafrika) gegründet, für die er sich jetzt um die Wiederwahl bewirbt.

Meinungsumfragen sehen den ANC landesweit derzeit erstmals bei knapp unter 50 Prozent. Nur in ländlichen Regionen kann er sich noch sicher sein. Als Ramaphosa am Sonntag die Provinz Free State im Zentrum des Landes besuchte, wo der ANC vor fünf Jahren 67,4 Prozent holte, wurde er mit Jubel empfangen. „Viele Gemeinden dienen den Menschen nicht gut. Wir werden die Gemeinden reparieren und die richtigen Leute einsetzen“, versprach der Präsident.