Das ist ein Kleid zum Tanzen

ORIGINALGETREU Die „West Side Story“ ist in der Stadt: Ein Gastspiel an der Deutschen Oper nimmt den Broadway-Klassiker wörtlich

„Maria! I’ve just met a girl named Maria! And suddenly the name / will never be the same to me!“ Wen es da nicht packt, irgendwo da unten, in den romantischen guts, die mit im Fernsehen ausgestrahlten Musicals sozialisiert wurden, dem ist nicht mehr zu helfen. Maria ist Puerto-Ricanerin, und dass sie und der amerikanischstämmige Tony sich verliebt haben, irgendwo in der West Side des New York der 1950er, das zieht die bekannten Probleme mit sich: Banden-Rumble zwischen den Sharks und den Jets, Romeo-&-Julia-Liebe, Messerstecherei, Tod.

Das Gastspiel, das seit Dienstag in der Deutschen Oper präsentiert wird, ist eine Produktion von BB Promotion, originalgetreu inszeniert, mit der Choreografie von Jerome Robbins, mit Leonard Bernsteins Musik, Stephen Sondheims Texten, möglichst nah an der Broadway-Aufführung von 1957 mit allem Pipapo: Jets in Baseballjacken, Sharks mit Haargel, Anita mit zickigen Latinogesten, Bühnenbild aus angedeuteten Hinterhöfen, verfeinert mit schwarz-weißen New-York-Bildern.

Donald Chan dirigierte die – für den unglaublich vollen Sound - wenigen MusikerInnen durch Bernsteins dichten Score, und live hatte man endlich mal die Möglichkeit, Sondheims Texte in der Reinfassung zu hören: „Wir sind doch Freunde! Womb to tomb!“, sagt Riff zu seinem besten Kumpel Tony, und der antwortet: „Sperm to worm!“, und das ist tatsächlich noch einen Zacken lustiger als die Antwort „Birth to earth!“, die er in der dahingehend also zensierten Verfilmung von 1961 gibt.

Und wie schnell Sondheims Preziosen und Schlagfertigkeiten herausgeschossen kommen: Maria und Anita unterhalten sich im Brautmodengeschäft über Marias Kleiderlänge. „That’s a dress of dancing, not for kneeling in front of an altar“, sagt Maria mit der Bitte, den Saum doch noch etwas zu kürzen. „With those boys you can start up dancing and end up kneeling“, gibt die lebensschlaue Anita zurück.

Weg von der Oper

Anita hat eh die Lacher auf ihrer Seite, wenn sie in des Musicals größtem Hit „America“ ihre Freundin veräppelt, barfuß tanzt und ihre Augen rollt, als wären die hinten nicht festgemacht. Damals wollten Robbins und Bernstein ein Stück schaffen, das durch seinen Musicalcharakter authentisch und möglichst weit weg von der Oper, eben in der Lebenswelt zwischen Fisch und Fleisch schwankenden Jugendlichen angesiedelt ist. Dass bei der Aufführung in der Deutschen Oper ausgerechnet eine ausgebildete Sopranistin die Maria singt und einen mit ihrer starken Stimme in die Sitze drückt, ist schade. Viel lieber als am alles (inklusive Worte) überklirrenden Sopran würde man sich doch an Gesten und Texten erfreuen, an den altbewährten (und ewig gleichen) Musicalelementen Solo, Duett mit In-die-Augen-und-dann-gemeinsam-ins-Nichts-Schauen, pulsierende Ensemblenummer. Um danach glücklich summend und herzerwärmt nach Hause zu tänzeln, reicht es aber dicke. JENNI ZYLKA

■ Nächste Vorstellungen: 29. und 30. Juni, 1. Juli, 3. bis 8. Juli