Mou im Palazzo

Der nach diversen Stationen schon leicht abgegriffene Coach José Mourinho scheint den AS Rom zu neuem Glanz zu erwecken – mit den alten Methoden

Tipp vom Secial One: Romas Nicolo Zaniolo (l.) bekommt einen Rat von Trainer José Mourinho Foto: Foto:ap/Alessandra Tarantino

Von Tom Mustroph

José Mourinho war bereits der Star des Sommers. In einer Transferphase, die von den Abgängen von Cristiano Ronaldo und Gianluigi Donnarumma gekennzeichnet war, war er die einzige Figur mit Strahlkraft, die es in die Serie A zog. Entsprechend euphorisch wurde er empfangen: Mit Böllern, Transparenten und Jubelgesängen. „Indien hat die heiligen Kühe, wir haben Mou“, war auf einem Transparent zu lesen. T-Shirts kursierten, die Mourinhos Schädel mit Lorbeerzweigen bekränzt zeigten.

Mourinho traf später ein paar richtige Entscheidungen, um die Flamme weiter in Gang zu halten. Anders als noch zu seinen Zeiten bei Inter Mailand, als er fernab der Stadt logierte, bezog er jetzt mitten im Zentrum Quartier. „Das hilft mir, die Leute besser zu verstehen“, sagt er. Als Domizil wählte er einen Palazzo in der Nähe der Piazza Navona, in dem sich schon Mitglieder der Papst-Familie Borgia und der Bonapartes aufgehalten hatten. Die italienische Sportpresse betonte auch, dass der Palazzo sogar in Dantes „Göttliche Komödie“ erwähnt werde. Mehr Geschichte geht kaum. Und Mourinho betont, dass ihn die tägliche Nähe zu all diesen Wunderbauten wie Kolosseum und Petersdom selbst mit Kraft erfülle.

Die hat er auf dem Trainingsgelände in Trigoria bislang auch gut eingesetzt. Mit Landsmann Rui Patrício als neuem Keeper bekam er Ruhe in die Defensive. Wechselhaften Offensivkünstlern wie Stephan El Shaarawy und Nicolo Zaniolo verhalf er zu Stabilität. Vor allem aber formierte er mit Roma-Eigengewächs Lorenzo Pellegrini, Italiens Europameister Bryan Cristante und dem im Finale der Nations League immerhin eingewechselten französischen Auswahlspieler Jordan Veretout ein gleichermaßen kampf- wie spielstarkes Mittelfeld. Auch der erratische Henrikh Mkhitaryan bringt unter Mourinho seine Gaben viel häufiger und konstanter ein.

Die launische Diva Roma ist zu einer Art Bestarbeiter geworden. Selbst minder wichtige Wettbewerbe wie die Conference League werden ernst genommen. „Ich will sie gewinnen. Titel sind wichtig für einen Klub“, sagte Mourinho. Die bislang makellose Bilanz mit einem 5:1 gegen ZSKA Sofia und einem 3:0 beim ukrainischen Vertreter Sorya Luhansk sprechen dafür, dass sein Wille auch bei den Spielern ankommt. „Bei Mou geben wir im Training immer das Doppelte“, sagt artig Mittelfeldmann Veretout.

In die Serie A ist die Roma prächtig gestartet, steht nach sieben Spieltagen mit fünf Siegen auf Tabellenplatz vier. Der gerät am Sonntag gegen die sich langsam berappelnde Juventus unter Druck. Wie man im Turiner Stadion Punkte holt, weiß Mourinho immerhin. Bei seinem letzten Auftritt in Turin, der Champions League 2018, gewann er als Cheftrainer von Manchester United.

„Bei Mou geben wir im Training immer das Doppelte“

Jordan Veretout, Mittelfeldspieler

Sein Team bereitet er mit durchaus innovativen Methoden vor. Das Taktiktraining lässt er durch Drohnen aufzeichnen und präsentiert seinen Spielern dann auf einer Riesenleinwand Lauf- und Passwege. Die provokative Ansprache, mit der er seinerzeit Inter scharfgestellt hat, dürfte er eh beherrschen. „Er holt aus dir auch dann noch 20 Prozent heraus, wenn du glaubst, du hast gar nichts mehr. Er provoziert dich nicht, weil er dich verletzen will, sondern weil er dich für das Geschehen auf dem Platz stärken will“, ließ sich Inter-Ikone Dejan Stanković, aktuell Trainer beim Traditionsklub Roter Stern Belgrad, vernehmen.

Nach außen hin ist Mourinho gelassener geworden. Er stichelt seltener gegen Referees und andere Trainer. Überraschenderweise hat er sogar Sehnsucht nach den sonst gern gescholtenen Medienvertretern. Nach dem verlorenen Derby gegen Lazio verließ er nicht deshalb wütend die Pressekonferenz, weil er nicht mit den Journalisten reden wollte. Er war vielmehr empört, nicht direkt sondern nur mittels Videokonferenz mit ihnen sprechen zu dürfen.

In Rom sorgt er für neuen Aufschwung. Das Olympiastadion ist innerhalb der pandemisch zugelassenen Grenzen meist ausverkauft. Sogar zur Conference League an einem schnöden Donnerstag kamen knapp 30.000. Das Feuer will er lange am brennen halten. „Ich habe hier einen Dreijahresvertrag. Und es könnte gut sein, dass ein weiterer Vertrag folgt“, sagt The Special One.