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voltaire in rheinsberg von WIGLAF DROSTE

Im Herbst 1740, als Mann von 45 Jahren, besucht François-Marie Arouet, der sich Voltaire nennt, erstmals Preußen. Der in Frankreich zuvor längst mehrfach inhaftierte und aus dem Land verbannte Dichter, Satiriker und Philosoph trifft in Kleve den frisch gekrönten jungen König Friedrich II., mit dem er seit einigen Jahren eine lebhafte Korrespondenz unterhält.

Begonnen hat sie im August 1736 mit einer Eloge Friedrichs, damals noch Kronprinz von Preußen und auf Schloss Rheinsberg lebend, der an Voltaire schrieb, dass er in seinem Werk „den Charakter ihres ingeniösen Schöpfers wiederzuerkennen vermeinte, der unserem Jahrhundert und dem menschlichen Geist überhaupt zur Ehre gereicht“ und ihn „brennend wünschen“ ließ, alle Schriften Voltaires zu besitzen. Voltaire, geschmeichelt und auf einen künftigen Monarchen hoffend, der Licht in das Dunkel eines von Willkür, Folter, Krieg und Zensur beherrschten Europa bringen möge, lässt sich nicht lumpen und schreibt euphorisch zurück: „… aber die Liebe zum Menschengeschlecht, die seit je in meinem Herzen lebt, schenkte mir eine tausendfach reinere Freude, als ich erkannte, daß es auf der Welt einen Prinzen gibt, der als Mensch denkt, einen Fürst-Philosophen, der die Menschen beglücken wird.“

Die wechselseitige Anfangsbegeisterung hielt an. Da die Briefeschreiber einander noch nicht persönlich kannten und sich also die dollsten Dinge übereinander vorstellen konnten, fassten sie ihre Briefe im allerhöchsten Tone ab: „Fahren Sie fort, Monsieur, die Welt aufzuklären. Die Fackel der Wahrheit konnte keinen besseren Händen anvertraut werden“, hymnete Friedrich. Auch Voltaire ging in die Vollen: „Monsieur, der Gedanke an Sie erfüllt mich Tag und Nacht. Ich träume von meinem Prinzen, wie man von seiner Geliebten träumt“, schrieb er im April 1740 an Friedrich – der Voltaire aber trotz dieses besonders schwülstigen Briefes nicht zur Heirat zwang, ihn aber immerhin dazu brachte, im November 1740 nach Berlin und Rheinsberg zu reisen.

Die Interessen Friedrichs II. waren nicht philosophisch-musischer, sondern militärisch-machtpolitischer Natur. Das konnte Voltaire zügig feststellen: Bereits im Dezember 1740 führte Friedrich Krieg gegen Österreich und überfiel Schlesien. Voltaire schrieb ihm im März 1742: „Werden Sie niemals aufhören, Sie und Ihre Amtsbrüder, die Könige, diese Erde zu verwüsten, die Sie, sagen Sie, so gerne glücklich machen wollen?“

1753 war der Ofen endgültig aus: Voltaire floh aus Preußen, Friedrich ließ ihn verhaften, erst nach Monaten kam Voltaire frei. Sechs Jahre später veröffentlichte er seinen „Candide“, in dem Friedrich, wenn auch ungenannt, als der Schinder beschrieben wurde, der er war, Flötenspiel und Eititei hin oder her.

265 Jahre nach seiner Stippvisite in Rheinsberg wird die Erinnerung an den unvereinnahmbaren Freigeist Voltaire dort so lebendig gehalten, wie man es von einer preußisch-brandenburgischen Kleinstadt erwarten darf. In der Schlossstraße gibt es ein „Café Voltaire“, wo, gleichsam als Voltaire-Gedenk-Futter, zum Preis von zehn Euro ein „Voltaire Super Frühstück“ angeboten wird. Der donnernde Preußenmuff indes floriert prächtig.

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