Reden soll helfen

Eine Sprechstunde der Polizei soll die Situation zwischen An­woh­ne­r:in­nen und sucht-kranken Menschen an der Holstenstraße verbessern. Die Linke kritisiert den falschen Fokus

Treffpunkt einiger suchtkranker Menschen: Der S-Bahnhof Holstenstraße Foto: Miguel Ferraz

Von Tjade Brinkmann

Die Situation in Altona ist angespannt. An­woh­ne­r:in­nen beklagen, es gebe viele Probleme mit suchtkranken Menschen, sowohl am S-Bahnhof Holstenstraße, als auch in dem in unmittelbarer Nähe liegenden Bertha-von-Suttner-Park. Auf Initiative von FDP und CDU hat die Bezirksversammlung Altona nun einem Antrag zugestimmt, wonach eine Sprechstunde durch einen sogenannten bürgernahen Beamten vor Ort eingerichtet werden soll. Die Linksfraktion hat gegen den Antrag gestimmt.

Während es am und im Umfeld des S-Bahnhofes vor allem um die sogenannte Trinkerszene gehe, habe sich im Park in den letzten drei Jahren eine Crack-Szene etabliert, sagt Katarina Blume, Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Bezirksversammlung. Die Liste der Probleme sei lang: Einbrüche, Spritzen auf dem Spielplatz, Kot in Hauseingängen, gestohlene Fahrräder, Beschimpfungen. Bereits im Juni hatten An­woh­ne­r:in­nen und Gewerbetreibende deshalb eine „gute Nachbarschaft“ gefordert und sich unter anderem eine „gestalterische Neukonzeption bekannter Sammelorte“ und „verstärkte Präsenz der Polizei“ gewünscht.

Auf Anfrage der taz bestätigt das zuständige Polizeikommissariat eine Zunahme von Verschmutzungen, Belästigungen und aggressivem Auftreten. Bis Mitte Mai seien in diesem Jahr nahezu doppelt so viele Straftaten erfasst worden wie in den Vorjahren – insbesondere im Kontext von Betäubungsmitteln. Als Reaktion habe man die Präsenz erhöht. Die Maßnahmen würden aus Sicht der An­woh­ne­r:in­nen Wirkung zeigen.

Florian Pittner ist Straßensozialarbeiter in Altona. In den vergangenen zwei bis drei Monaten habe er den Eindruck gewonnen, dass die Crack-Szene durch die Polizeipräsenz stark eingedämmt worden sei. „Das hat sich zerstreut“, sagt er. Viele Leute, die er tagtäglich gesehen habe, seien nicht mehr da. „Auf Nachfrage bei den Kli­en­t:in­nen heißt es, dass viele in Haft gekommen sind.“ Diesen Weg der Vertreibung hält Pittner für wenig sinnvoll. Er berichtet, wie die Szene in den letzten Jahren durch zunehmende Polizeipräsenz gewandert sei: vom „Drobb Inn“ in St. Georg, einem Raum für kontrollierten Konsum, zum Bahnhof Holstenstraße und von dort in den Bertha-von-Suttner-Park. Mittlerweile seien auch hier weniger Menschen unterwegs.

Die Linke sieht in diesem Vorgehen ebenfalls einen „falschen Fokus“. Die Vorsitzende der Linksfraktion in der Bezirksversammlung, Thérèse Fiedler, hatte bereits vor der Abstimmung angekündigt, den Antrag von CDU und FDP abzulehnen. „Wir brauchen Sozialarbeiter:innen-Stellen, wir brauchen Räume für Menschen in der Obdachlosigkeit, die drogensüchtig sind, die alkoholsüchtig sind“. Sie sehe nicht, dass die wöchentliche Beratungsstunde zur Entspannung der Situation beitragen würde. Die Polizei alleine könne das Problem nicht lösen.

Die Polizei alleine könne das Problem nicht lösen, heißt es von den Linken

Davon ist auch Pittner überzeugt: „Langfristig wird man die Situation nicht ändern können, wenn man nicht gesundheitspolitisch, sozialpolitisch und drogenpolitisch etwas ändert.“ Es müssten Konsumräume geschaffen und „safer use“ ermöglicht werden. Auch stadtbauliche Maßnahmen wie eine öffentliche Toilette könnten dazu beitragen, die konfliktreiche Situation zu entschärfen. Insgesamt gehe es darum, die Menschen durch positive Angebote zu erreichen, so in Kontakt zu kommen und sie dann für die Gesamtsituation auch bezüglich der Nachbarschaft zu sensibilisieren.

Die FDP glaubt selbst, dass der Antrag nicht viel verändern werde. „Wir wissen nicht so richtig, wie wir helfen können“, sagt Blume. Das Problembewusstsein sei auf allen Seiten da. „Eigentlich muss die Sozialbehörde das zur Chefsache erklären, mehr Sozialarbeit fördern und Maßnahmen umsetzen, die den Aufenthalt für die Szene dort ungemütlich machen.“ Auf taz-Anfrage verweist die Sozialbehörde auf die Bezirksverwaltung. Dort erinnert man an bereits bestehende Angebote. Zudem sei eine weitere Station der Straßensozialarbeit geplant.

Florian Pittner weiß, dass die Situation nicht einfach zu lösen ist. Neben kurz- und langfristigen Maßnahmen sei es wichtig, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Menschen, um die sich die Diskussion dreht, erkrankt seien. „Man darf sie nicht einfach abwerten als asoziales Pack“, sagt er. Das werde zwar nicht unbedingt explizit gesagt, schwinge aber doch häufig mit.