galerie buchholz
: Grafische Wildnis

Installationsansicht Peter Fischli in der Galerie Buchholz Foto: Peter Fischli; courtesy of Galerie Buchholz, Berlin 2021

Es ist wie morgens vom Schlaf benommen auf die belebte Straße zu treten: Es braucht einen Moment, bis die Bilder, Symbole und Worte von den gesammelten Buchcovern, die Peter Fischli im immer gleichen Format an die Wände der Galerie Buchholz gerastert hat, wirklich zu einem vordringen. Die auf Chrom reproduzierten und an Spiegel applizierten Buchtitel seiner Installation „Planet People Profit“ folgen einer taxonomischen Ordnung, doch macht sich zunächst auf ihnen über beide Etagen der Galerie eine schiere grafische Wildnis breit, welche die anonymen Il­lus­tra­to­r:in­nen dieser Publikationen dank digitaler Bildprogramme offenbar hemmungslos auszuschöpfen wussten. Man sieht einen Philosophenkopf, eine kurz vor der Explosion oder Implosion (man weiß es nicht genau) bunt ausstrahlende Weltkugel, einen auf schmelzender Scholle herummanövrierenden Eisbären oder eine bis zum Tautropfen herangezoomte Aufnahme eines Gingkoblatts. Und in diesen Eklektizismus prophetischen wie apokalyptischen Bildwerks drängen sich mit Schatten werfenden Lettern Titel wie „The Art of Business Warfare“, „Trading against the Crowd“ oder „The Positive Power of Negative Thinking“. All diese Bücher wurden wirklich auch so publiziert. Einige der von Peter Fischli gesammelten Buchtitel sind bekannt, andere obskur. Ihnen allen ist gemein, dass sie ihren Le­se­r:in­nen helfen sollen, Geld zu verdienen. Dabei schmücken sie den kapitalistischen Zweck ihres Inhalts mit Motiven der Ökologie oder Therapie. Manche Au­to­r:in­nen machen zynisch seine Brutalität zur Message („Investing in the Apocalypse“). In der Galerie entwickelt Peter Fischli die Taxonomie einer Profitliteratur und weckt damit einen ethnografischen Blick auf eine – unsere – Kultur des Geldmachens. Trotzdem beschleicht einem beim so distanzierten Begucken dieser literarischen Anleitungen zum Profit, die Furcht vor denjenigen, die solche Bücher auch lesen. Sind sie es nicht, die wirklich die Gelder auf der Welt bewegen? Und bewegen sie damit nicht auch uns? Sophie Jung