Schleppender Impffortschritt in Afrika: Langes Warten auf den Piks
Unverändert kommt das Impfen in Afrika nur schleppend voran – erst 4 Prozent der Menschen sind voll immunisiert. Das liegt nicht nur an zu wenig Dosen.
Die Regierung will die Zahlen niedrig halten. Neben dem neuerlichen Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmer*innen und dem Schließen von Diskotheken fordert Präsident Patrice Talon zum Impfen auf, um sich und andere zu schützen. Eine Impfpflicht soll es künftig für medizinisches Personal sowie Mitarbeiter*innen von Behörden geben.
Wird diese durchgesetzt, muss sich auch Béatrice Aguessy impfen lassen. Sie ist Krankenschwester. Benin mit seinen 13 Millionen Einwohner*innen hatte über das Covax-Programm – über die Plattform soll Impfstoff weltweit gerechter verteilt werden – zunächst 144.000 Dosen AstraZeneca erhalten. Die USA spendeten im Juli 302.400 Dosen von Johnson & Johnson. Einen Impftermin in Cotonou zu bekommen ist kein Problem. Auch Aguessy hatte eine Einladung, die sie aber ausgeschlagen hat: „Ich habe Angst. Ich bin doch gesund, und mein Coronatest war negativ.“ Zu anderen Impfstoffen, etwa gegen Polio, hat sie mehr Vertrauen.
Auf den Straßen Cotonous, aber auch in sozialen Medien wird ständig über mögliche Nebenwirkungen gesprochen. Immer wieder heißt es, dass junge und gesunde Menschen nach der Impfung gestorben seien. Genaue Informationen darüber gibt es allerdings nicht und auch keine verlässlichen Zahlen. Auch weiß niemand, wie viele Impfgegner*innen es tatsächlich gibt.
Abwanderung von medizinischen Fachkräften
Auch in anderen Teilen des afrikanischen Kontinents ist das Vertrauen in das Gesundheitssystem generell gering. In einer Umfrage (Wellcome Monitor) mit 140.000 Befragten gab 2018 knapp jede*r Dritte in Afrika an, kein Vertrauen in Krankenhäuser und Kliniken zu haben. Im weltweiten Vergleich hatte man außerdem am wenigsten Vertrauen in medizinisches Personal. Vor Ort wundert das wenig. Braindrain, also das Abwandern von Fachkräften, schwächt den Sektor allerorts seit Jahrzehnten.
Nach Informationen der Hilfsorganisation WaterAid haben beispielsweise 17 Prozent aller Gesundheitseinrichtungen keinen Zugang zu Wasser. Im krisengebeutelten Sahelstaat Burkina Faso haben mehr als 822.000 Menschen nur noch einen eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Die internationale Gemeinschaft versucht die Impfquote auf dem Kontinent zu erhöhen. Nach AU-Angaben sind gerade einmal gut 4 Prozent der gut 1,2 Milliarden Menschen komplett geimpft. Spitzenreiter ist Marokko mit knapp 50 Prozent. Südafrika liegt mit fast 18,5 Prozent an zweiter Stelle. US-Präsident Joe Biden kündigte deshalb während eines virtuellen Coronagipfels an, 500 Millionen weitere Impfdosen zu spenden.
Während der UN-Vollversammlung in New York hatte Generalsekretär António Guterres am Dienstag kritisiert, dass 90 Prozent der Afrikaner*innen weiter auf ihre erste Impfung warteten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sollen über Covax bis zum Jahresende 470 Millionen Impfdosen geliefert werden. Dazu kommen bilaterale Zusagen, etwa von der chinesischen Regierung, die auch als politisches Instrument gelten. Wie viele Dosen tatsächlich geliefert werden, lässt sich nicht prüfen.
Für den Bundesstaat Kano im Norden Nigerias hätte Ibrahim Mualeem Zikirullahi, Leiter des nichtstaatlichen Zentrums für Menschenrechte und politische Bildung (CHRICED), gerne welche. Afrikas Riesenstaat mit den rund 210 Millionen Einwohner*innen hat laut UNICEF – das Kinderhilfswerks ist für die COVAX-Zuteilung zuständig – gut 11,1 Millionen Impfdosen erhalten.
Die Zusammenarbeit mit den nigerianischen Behörden laufe gut, heißt es. Viel zu wenig, kritisiert allerdings Zikirullahi die Zahlen: „Alleine in Kano liegt die Bevölkerung bei 14 Millionen. Wir haben 44 Landkreise. Doch bis Mitte August hatten gerade einmal zwei davon Impfstoffe erhalten.“ Dabei wird seit Anfang März geimpft.
Dezentrales Impfen gilt als wichtig. Gerade im ländlichen Bereich müssen viele Kilometer bis zum nächsten Impfzentrum zurückgelegt werden. Dafür hat die ärmere Bevölkerung aber nicht das Geld. In manchen Ländern Afrikas leben 40 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, das heißt, sie verfügen über weniger als 1,9 US-Dollar pro Tag.
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