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Dat du min Leedchen singst

NDR Kultur hat Norddeutschlands größten Chor zusammengebracht

Eine Samin singt das Lied ohne Worte in Obertontechnik

Von Wilfried Hippen

Der Jüngste ist drei Jahre alt, der Älteste 94. Insgesamt sind sie mehr als 500 Personen und sie alle singen zusammen ein Lied. Im Juni hat die Redaktion des Radiosenders NDR Kultur ein „Chor-Experiment“ gestartet. Und als lokalpatriotische Norddeutsche haben sie dafür das schönste (und eigentlich ja auch einzige bekannte) plattdeutsche Liebeslied „Dat du min Leevsten büst“ ausgewählt.

Es begann mit vier Sängerinnen und Sängern aus dem NDR-Vokalensemble, die das Lied in einem Arrangement des Chorleiters Stephan Doormann eingesungen haben. Jede(r) allein für sich vor einer Kamera – und dann alle für ein kleines Musikvideo digital zusammengeschnitten. Dann wurden Menschen in Norddeutschland gebeten, doch auch in eigenen Videos das Lied einzusingen – egal ob Profis oder Amateure, allein, zu zweit, mit der Familie, in einem Chor – je diverser, desto besser.

Und das Experiment ist geglückt. Tatsächlich gab es so viele Einsendungen, dass die Schnittmeisterin des NDR Andrea Müller noch genügend gute Aufnahmen für zwei weitere Musikvideos gehabt hätte. Seit einigen Tagen ist das Video nun auf der Homepage von NDR Kultur zu sehen, und es beeindruckt durch die Bandbreite der Teilnehmer*innen.

Dabei sind Prominente wie der Musiker Stefan Gwildis, der Hamburger Liedermacher Rolf Zuckowski und die Sopranistin Pia Davila. Und es gibt auch solche Überraschungen wie eine samische Musikerin aus Lappland, die das Lied ohne Worte in der Obertongesangstechnik interpretiert hat. Eine Frau singt mit einer roten Clownsnase, ein Chor besteht aus vier Handpuppen, ein anderer hat sich (mit dem gebotenen Hygiene­abstand) vor dem Hamburger Rathaus versammelt und bei einer Familie singen vier Generationen im Garten – komplettiert durch den Hund am Bildrand.

Das gemeinsame Singen ist in diesen Zeiten schwierig, oft unmöglich geworden. In den Schulen ist es sogar weitgehend verboten. Und man merkt es den meisten Teil­neh­me­r*in­nen an, mit welcher Freude sie wieder singen können – auch wenn der große Chor hier nur digital zusammenkommt.

Stilistisch ist eindeutig das Musikvideo „I feel happy“ von Pharrell Williams eine Inspiration, in dem nicht gesungen, sondern getanzt wurde, und das auf Youtube eine Flut von Eigenproduktionen Tanzbegeisterter auslöste. Auch „Dat du min Leevsten büst“ ist ein Feelgood-Video geworden und der Enthusiasmus der Sän­ge­r*in­nen ist ansteckend. Vielleicht geht das „Chor-Experiment“ noch weiter.

Das Video vom NDR-Chor-Experiment findet sich in der ARD-Mediathek

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