Karriereende eines Zeitfahrspezialisten: 50 Siege gegen die Uhr
In der Mixed-Staffel kann Tony Martin mit der Hilfe der starken Frauen im Team noch einmal eine WM-Medaille holen. Danach fährt er keine Rennen mehr.
„Ich würde gern Gold gewinnen“, sagt etwa Walscheid. „Es wird eine ganz, ganz schwere Konkurrenz. Und es ist auch schwer einzuschätzen, es ist eine noch relativ neue Disziplin. Wir haben aber eine gute Männer- und eine gute Frauenmannschaft und können vorne mitfahren – im besten Fall um Gold.“
Für seinen Kollegen Tony Martin wäre dies der perfekte Abschluss. Exakt 50 Zeitfahrsiege hat Martin bisher in seiner Karriere geholt, darunter vier WM-Titel. Als er das erste Mal im Kampf gegen die Uhr bei den Profis erfolgreich war, im August 2005 bei der Rothaus Regio Tour, war ein gewisser Rolf Aldag noch im Rennen. Der begann kurz darauf seine Managerkarriere. Nun treten mit Martin und André Greipel, der Anfang Oktober bei Paris–Roubaix sein letztes großes Profirennen fahren wird – die wichtigsten Protagonisten der Generation nach Jan Ullrich ab.
Sie alle waren durch den gebürtigen Rostocker geprägt, hatten seine Siege im Fernsehen mitverfolgt und wohl auch davon geträumt, es ihm nachmachen zu können. Martin kam dem Idol noch am nächsten. 2009 fuhr er als Tour-Debütant auf der Königsetappe zum Mont Ventoux um den Etappensieg mit – und musste sich nur deshalb geschlagen geben, weil er sich an der letzten Kurve verkalkuliert hatte. Da sprachen viele schon vom „jungen Ullrich“.
Glaubwürdig gegen Doping
All das war aber auch eine Hypothek. Zum einen, weil Martins Talent fürs Hochgebirge dann doch nicht reichte und er sich auf Zeitfahren spezialisierte. Zum anderen, weil der Dopingskandal um Ullrich und den Rennstall Telekom für tiefe Bestürzung sorgte. Die damals jungen Fahrer mussten sich stets gegen Dopingverdacht und Dopingvorverurteilung wehren. Martin nahm früh und glaubwürdig eine Position gegen Doping ein. Er forderte sogar Gefängnisstrafen. Und er kritisierte den Weltverband UCI für dessen laxen Umgang mit der Salbutamolaffäre des damaligen Top-Stars Chris Froome.
In den letzten Jahren lag ihm das Thema Sicherheit immer mehr am Herzen. Das war auch eigenen Stürzen geschuldet. „2018 hatte ich einen Wirbelbruch. Wer weiß, was mit ein bisschen mehr Krafteinwirkung passiert wäre. Ich frage mich jetzt ständig: Wie oft werde ich noch Glück im Unglück haben?“, sagte er schon vor zwei Jahren. „Ich habe das Gefühl, dass es mehr tödliche Unfälle im Rennen und im Training gibt.“
Diese Entwicklung verschärfte sich zuletzt. Das gab auch den Ausschlag für das vorzeitige Karriereende, ein Jahr vor Ablauf des Vertrags mit seinem Rennstall Jumbo-Visma. „In 99 Prozent der Zeit läuft in den Rennen alles gut. Aber ich dachte immer mehr daran, was geschieht, wenn es nicht so gut geht und ich bin dann der, der bei 70 km/h zu Boden geht. Wenn man jung ist, denkt man vielleicht nicht so sehr daran, aber jetzt, besonders als Vater, sieht man die Gefahren immer stärker“, meinte er. Und er beklagte, dass sich zu wenig tue, um Stürze zu vermeiden.
Am heutigen Mittwoch zumindest ist für den 36-Jährigen die Straße frei. Beim Zeitfahren im Trio kommt es auf Kraft und gute Wechsel an. Die Strecke hat er sich eingeprägt. Eine Medaille am Ende wäre ein perfekter Abschluss.
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