Der inszenierte Dandy

Der Mann ist einfach ziemlich hemmungslos, was gute Laune angeht: Luis Ake und sein Album „Liebe“

Von Andreas Hartmann

Die Tage werden schon kürzer, in den Supermärkten stapeln sich bereits die Weihnachtslebkuchen und erinnern: Ziemlich bald ist wieder Winter. Doch Luis Ake ficht das nicht an. Gleich im ersten Song seines neuen, inzwischen zweiten Albums, das er schlicht mit „Liebe“ betitelt hat, geht es um eine sommerfrische Fahrt an den Müggelsee und das unbeschwerte Plantschen im Wasser. Und in der Nummer „Sommer“ verkündet er die frohe Botschaft: „Dieser Sommer hört nie auf“. Auch mit Blick auf die drohende vierte Coronawelle, die für die anstehenden kälteren Monate angekündigt wird, kann man dazu nur sagen: Hoffentlich hat der Mann recht.

Da nach Luis Ake dieser Sommer also immer weitergeht, entfällt der Vorwurf, dass er mit der Veröffentlichung seines Albums mitten im September vielleicht etwas spät dran sein könnte mit seinen Sonnentag- und Wolken-ziehen-vorüber-Beschwörungen. Falls man doch bald das Gefühl haben sollte, die schönste Zeit des Jahres ist eigentlich bloß noch eine Erinnerung, legt man eben diese Platte auf.

Wer oder was ist Luis Ake?

Es ist schon ein ziemlich kühnes „Gute Laune trifft große romantische Gefühle“-Potpourrie, das Luis Ake hier zusammenrührt. Schlager, Achtziger-Synthie-Pop und Euro-Trance werden aufgefahren, der Mann ist einfach ziemlich hemmungslos, was das Ausloten von Geschmacksgrenzen angeht. Mal macht er einen auf Scooter, dann eher auf Andreas Dorau oder den frühen Peter Licht.

Wer oder was ist Luis Ake also eigentlich genau?

So genau ist das gar nicht zu beantworten. Mitte 20 ist er. Geboren in Stuttgart und aktuell lebhaft in Karlsruhe, vielleicht verhält es sich aber auch umgekehrt. Ein Jahr lang lebte er in Berlin, lässt sein Label-Manager ausrichten, um nun erst einmal in Süddeutschland zu Ende zu studieren. Danach soll es zurück in die Hauptstadt gehen. Im Netz geistern Infos umher, dass er in Frankreich bereits als echter Popstar verehrt werde, einen alten Porsche fahre und von ihm eingespielte Gitarren-Licks an Kanye West verkaufen konnte. Keine Ahnung, was davon stimmt, klingt aber alles zusammengenommen angemesen interessant.

Auf Fotos und Videos inszeniert er sich als Dandy im weißen Anzug. Aber auch hier weiß man wieder nicht, ob man dieser angebotenen Oberfläche trauen soll. Jean Floressas Des Esseintes, der Held aus Joris-Karl Huysmans Roman „Gegen den Strich“ und prototypischer Dandy schlechthin, liebt die Künstlichkeit, das Artifizielle und meidet nach Möglichkeit das Sonnenlicht. Während es Luis Ake in seinen Songs, einem Hippie gleich und wie bereits erwähnt, ständig nach draußen in die Natur zieht. Er singt über „Wolken“ und dann über „Blumen“, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass Letztere für ihn am liebsten aus Plastik sein sollen.

Die Sounds immerhin, die er verwendet, sind gefakt. Die immer wiederauftauchenden Pianoklänge kommen hundertprozentig aus dem Computer, seine Stimme verwandelt sich ziemlich sicher mithilfe einer Software gelegentlich zum Falsett. Und all die Drum-Beats werden per Knopfdruck aus den Klangarchiven seiner Synthesizer hervorgezaubert.

Es ist schon meisterlich, wie billig und cheasy und gleichzeitig pathetisch und rauschhaft dieser derart verfasste Schlager-Pop klingt. Wie er einen mit all seinen anklingenden Referenzen an künstlerisch wenig wertvolle Musik verwirrt und es doch schafft, sich in den Synapsen festzusetzen und von dort einfach nicht mehr so schnell wieder zu verschwinden.

Luis Ake – Liebe – Mansions And Millions