: Nur Ärger mit der Demokratie
Werder Bremen wählt seinen neuen Aufsichtsrat unter Druck
Bei Zweitligist Werder Bremen sind in den letzten Wochen nicht nur Spieler verpflichtet worden, deren Namen vorher nur Experten kannten – vor der Mitgliederversammlung am Sonntag steht ein ganzes Gremium im Blickpunkt, von dem bisher kaum jemand etwas gehört hat: der Wahlausschuss. Aus 30 Kandidaten:innen hatte der sieben rausgefiltert, die für die vier vakanten Posten im Aufsichtsrat zur Wahl stehen. Am Freitag korrigierte der Ausschuss mit einem Schlag zwei seiner am heftigsten kritisierten Entscheidungen. Er strich nach neuerlicher Anhörung den Unternehmensberater Oliver R. Harms von der Liste, dem die organisierten Fans Nähe zu rechtem Gedankengut vorgeworfen hatten. Dafür setzte er die Politikerin Ulrike Hiller neu drauf, nachdem zuletzt auch Präsident Hubertus Hess-Grunewald das Gremium dafür gescholten hatte, keine Frau nominiert zu haben.
Den Wahlausschuss gibt es in dieser Form, seit die Profiabteilung 2003 als SV Werder Bremen GmbH & Co. KGaA ausgegliedert wurde. Für diese schreibt das Aktienrecht einen Aufsichtsrat vor, der von den Anteilseignern bestimmt wird – da dies zu hundert Prozent der Sportverein „Werder“ von 1899 e.V. ist, also von dessen Mitgliedern. Zwei Aufsichtsräte werden vom Präsidium bestimmt, vier von der Mitgliederversammlung gewählt. Damit es auf diesen nicht zu basisdemokratischen Überraschungen kommt, wird ein Wahlausschuss vorgeschaltet, der aus den Mitgliedern des Ehrenrates und den sechs Abteilungsleitern des Vereins besteht.
Strukturen und Satzung haben kaum jemand interessiert, solange der Erfolg da war. Tauchten in der Vergangenheit Risse im Gebälk auf, wie die Entmachtung des Aufsichtsratsvorsitzenden Willi Lemke 2014, schaffte die „Werder-Familie“ es, den Konflikt hinter verschlossenen Türen zu managen. Dafür ist jetzt die Enttäuschung über Abstieg und finanzielle Situation zu groß. Die vornehmste Aufgabe des Aufsichtsrates ist es nun mal, die Geschäftsführung zu bestimmen und zu kontrollieren. Zur Wahl steht zwar der Aufsichtsrat, abgestimmt wird über die Zukunft der Geschäftsführer Filbry, Baumann und Hess-Grunewald.Ralf Lorenzen
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